On the Road – Jack Kerouac

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„Because the only people that interest me are the mad ones, the ones that are mad to live, mad to talk, desirous of everything at the same time, the ones that never yawn or say a commonplace thing… but burn, burn, burn like roman candles across the night.“

Was mich mit am meisten beeindruckt hat bei „On the Road“ war die Tatsache, das Jack Kerouac das Buch innerhalb von 3 Monaten einfach so – wie im Rausch – runtergetippt hat, auf einer langen Rolle. Stell mir das so vor: Zigarette an, Rolle rein, losgetippt und nicht mehr aufgehört, bis die Geschichte oder die Rolle zu Ende war. Zwischendrin höchstens mal Pipi gemacht oder neue Kippen geholt. Genau weiß ich es natürlich nicht.

„On the Road“ ist ein Buch über das man soviel gehört hat, dass man manchmal den Eindruck hat, man habe es schon gelesen. Hatte ich aber nicht. Die Verfilmung von 2012 hatte ich gesehen und die fand ich nicht schlecht, aber anstrengend. Was aber gar nicht mal so sehr an der Verfilmung lag, obwohl die von der Kritik nicht sonderlich gelobt wurde. Es war schon auch ein wenig das grundsätzliche Konzept, dieses kaum waren sie endlich da, wo sie hinwollten, wollten sie auch schon wieder weiter. Restless. Ich meine das gar nicht negativ, ich hab das durchaus auch in mir, aber wenn ich solche Bücher lese oder Filme sehe, dann verschlimmert sich das und macht mich kirre.

Wahrscheinlich ist das mit ein Grund, warum ich gerne eher ruhigeres höre, wie z.B. Trip Hop, Dark Electronica oder auch gerne „langsame“ Bücher mag wie Haruki Murakami. Aber genug Selbstanalyse und zurück zum Buch.

Jack Kerouac (1922 – 1969) hat sich ein Denkmal gesetzt mit der Beschreibung seines Road Trips , die er mit seinem Kumpel Neal Cassady in den späten 40er und frühen 50er Jahren in den USA und Mexiko unternommen hat. Es ist außerdem ein Buch über seine Beziehungen zu den anderen Beatniks, seinen Schriftstellerkumpeln und deren Freunde.

Jack (Sal) will unbedingt weg, will was erleben, will auf die Straße und dieses Sehnen spürt man auf jeder Seite, mit jeder Zeile und macht dieses Buch so zeitlos und einzigartig. Seine poetischen Beschreibungen der Landschaft sind das perfekte Sehnsuchtsmittel, man will gleichfalls loslaufen, frei sein und sich selbst begegnen irgendwo unterwegs.

So ein Roadtrip ist was ganz Einzigartiges. Es ist eine ganz besondere Form des Reisens. Meine einzigen Vergleiche kommen von Fernwanderungen durch Schottland, wenn das Gefühl der Bewegung, diese Sucht immerzu einen Schritt vor den nächsten zu setzen, jeden Abend ein Ziel zu haben und am Morgen doch wieder aufzubrechen. Einfach nur zu gehen, ist etwas, das einen in einen ganz besonderen Bewusstseinszustand versetzt, glaube ich. Thomas Espedal hat ein sehr schönes, gleichnamiges Buch zum Gehen verfasst – ich kann es auf jeden Fall empfehlen.

Diese Sehnsucht nach Freiheit und dem ewigen Versprechen der Straße ist eine der Sachen die Kerouac so wunderbar beschreibt.

“There was nowhere to go but everywhere, so just keep on rolling under the stars.”

Das Gehen und das Reisen sind auch das was Jack (Sal) und Neal (Dean) zusammenhält. Wenn sie anhalten, selbst für kurze Zeit, dann bekommen sie Probleme miteinander. Ihre Beziehung braucht den Kontext des Reisens, dann kann sie nichts aufhalten. Sie brauchen diesen absoluten Gegenpol zu allem, was den meisten heilig ist, sie wollen keine Sicherheit, keine Stabilität sie wollen weiter.

„…ad to live, mad to talk, desirous of everything at the same time.“

Die beiden brechen immer wieder aus aus ihrer engen Welt. Der Realität die bevölkert ist von vernünftigen Arbeitnehmern, die auf einen Kleinwagen sparen, in einer Gesellschaft, die gerade dem zweiten Weltkrieg entkommen ist und unter McCarthys Dauerbeobachtung stets vom nächsten Atomkrieg bedroht sind.
Dem entfliehen die beiden, auf der Straße wo der Horizont stets eine bessere, nie erreichbare Zukunft verspricht.

Das Zeitlose scheint auch die immerwährende Suche nach Wahrheit und Authentizität zu sein. In den 50er Jahren war das ganz ausgeprägt so, die Kriegsgeneration war auf der Suche nach der Essenz, die allem inne ist, nach dem Echten um jeden Preis. Ob Kerouac, Camus oder Holden Caulfield, der Zorn auf alles was „phony“ ist, war heftig. Dieser Wunsch nach Authentizität ist zeitlos, jede Generation muss sich von seinen eigenen „Phonies“ befreien.

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Das Buch schafft es, den Rhythmus der Straße, des Gehens zu vermitteln. So anstrengend und egozentrisch sie oft sind, „On the Road“ besitzt eine Energie, eine Dynamik und eine Authentizität die ich mit dem Wort „Beatnik“ verbinde.

Interessant finde ich auch, dass Jack so unkonventionell gar nicht ist, wie man denkt und wie er vielleicht auch gerne selbst wäre. Er liebt einfach die Gesellschaft der Außenseiter, der Abenteurer, er selbst bleibt gerne am Rand, es zieht ihn auch immer wieder in die „normale“ Realität zurück, im Gegensatz zu seinem Kumpel Neal.

In der Szene, in der Carlo (Allen Ginsberg) und Dean (Neal Cassady) die ganze Nacht diskutieren, zeigt sich Jacks Zuschauerrolle für mich am besten:

“If you keep this up, you’ll both go crazy, but let me know what happens as you go along.”

Er mag nicht unbedingt mittendrin sein, aber er will wissen was passiert. Bei den Landschaftsbeschreibungen oder den Begegnungen mit den Arbeitern auf den Baumwollfeldern zum Beispiel, hat mich Kerouac an Steinbeck erinnert, die beide zeitlos sind für mich in ihren Erzählungen.

Ich fand „On the Road“ im übrigen viel weniger skandalös als erwartet, aber das ist sicherlich der Blick aus dem 21. Jahrhundert. Ja, gibt schon ne Menge Sex und Drogen, aber nix sonderlich explizit. Für die 50er Jahre kann das allerdings schon recht gewagt gewesen sein.

„On the Road“ ist wunderbar bittersüss – eine Wolke der Melancholie hängt über den Protagonisten, die immer dunkler wird, je hektischer sie versuchen ihr mit Alkohol, durchfeierten Nächten und Drogen zu entkommen. Sie können nicht für immer „On the Road“ bleiben und dieses Wissen wird ihnen immer schmerzlicher bewusst, je länger die Reise dauert.

“And for just a moment I had reached the point of ecstasy that I always wanted to reach and which was the complete step across chronological time into timeless shadows, and wonderment in the bleakness of the mortal realm, and the sensation of death kicking at my heels to move on, with a phantom dogging its own heels, and myself hurrying to a plank where all the Angels dove off and flew into infinity.”

Definitiv ein Buch, das mal wieder eine dazugehörige Playlist verdient hat:

Morrissey – Neal Cassidy drops dead
Tom Waits – Home I’ll never be
Ella Fitzgerald – I’ve got the world down on a string
Belle & Sebastian – Le Pastie de la Bourgeoisie
10,000 Maniacs – Hey, Jack Kerouac
The Smith – Pretty Girls make graves
Echo & The Bunnymen – Nothing lasts forever
Cannonball Adderly – Autumn Leaves
Jack Kerouac – On the Road

Das Buch ist auf deutsch unter dem Titel „Unterwegs“ im Rowohlt Verlag erschienen.

29 Kommentare zu “On the Road – Jack Kerouac

    • DANKE ! und jetzt endlich auch angehört und gut gefunden. Das Buch hat Spaß gemacht und den Beitrag schreiben auf jeden Fall auch. Liebe Grüße 🙂

      • „On the Road“ ist schon irgendwie Pflichtlektüre, ich müsste es glatt auch mal wieder lesen, ist schon so lange her. Kennst Du den Film „Heart Beat“ (mit Nick Nolte, Sissy Spacek, John Heard) über Cassady und Kerouac (USA 1980), guter Film zum Thema, leider glaub ich in Deutschland total gefloppt.
        Liebe Grüße,
        Gerhard

  1. „On the Road“ habe ich nach etwa der Hälfte weggelegt. Die Beschreibungen sind zweifelsohne reizvoll: „Ich sagte ihr, Sex sei wunderschön. Ich wollte es ihr beweisen. Sie ließ mich, aber ich war zu ungeduldig und bewies gar nichts. Sie seufzte in der Dunkelheit. ‚Was erwartest du vom Leben?‘, fragte ich; das fragte ich damals alle Mädchen. ‚Weiß ich nicht‘, sagte sie. ‚Dass ich Arbeit habe und mich irgendwie durchschlage.‘ Sie gähnte. Ich hielt ihr die Hand vor den Mund und sagte, sie solle nicht gähnen. Ich versuchte, ihr zu erklären, wie begeistert ich vom Leben und von den Sachen war, die wir zusammen machen könnten – dabei wollte ich Denver in zwei Tagen verlassen. Sie drehte sich müde weg. Wir lagen auf dem Rücken, sahen an die Decke und fragten uns, was sich Gott dabei gedacht hatte, das Leben so traurig und hässlich zu machen.“ Aber „On the Road“ ist eben plan- und ideenlos, wie alle Welt ja heute noch: Irgendwo hin fahren, um mit irgendwelchen Leuten abzuhängen. Das kann man sich ein Leben lang als „das Leben“ geben, oder wie ich nur zweihundert, dreihundert Seiten. Als Beleg, nichts versäumt zu haben, gar nichts: „Seine Diane war eine richtige Kodderschnauze und machte ihn Tag für Tag zur Schnecke. In der Woche sparten sie jeden Cent, und am Samstag gingen sie aus und verprassten in drei Stunden fünfzig Dollar. In seiner Hütte trug Henri Shorts und ein verrücktes Army-Schiffchen auf dem Kopf; Diane lief mit Lockenwicklern im Haar herum. Derart zurechtgemacht, keiften sie sich die ganze Woche an. Zeit meines Lebens hab ich nicht so viel Gestänker gehört. Aber am Samstagabend lächelten sie einander huldvoll an, hoben ab wie zwei Hollywood-Stars und zogen um die Häuser.“

  2. Schöner Beitrag! Hab es vor zwei Jahren in einer DDR-Ausgabe gelesen. Was mir auffällt ist, dass bei Dir Musik überhaupt keine Rolle spielt. Für mich war das ein wichtiges Element des Buches und veranlasste mich, nachzustöbern, was Bebop ist.
    Und das Ende fand ich furchtbar traurig.

  3. Ich bin an Kerouac wie an der gesamten Beat-Generation gescheitert. Von Burroughs habe ich gerade mal vier Seiten geschafft. Ein Freund sagte mir, das läge am mangelnden Drogenkonsum während meiner Jugend. Er selbst ist großer Beat-Fan.

      • Also ich möchte ja auch nicht verallgemeinern oder jemandem was unterstellen, aber wenn ich mal den Beat-lesenden Teil meines Freundeskreises mit dem nicht-Beat-lesenden Teil vergleiche… Dann sehe ich da zumindest nicht von der Hand zu weisende Korrelationen.

    • glaube ich nicht, dass das der Grund ist 😉 Ich habe auch keine Drogen konsumiert und fand Kerouac immer toll. Vielleicht weißt Du ganz einfach, dass Du da, wo Du bist, sein willst. Hast dieses Rastlose nicht in Dir … ich denke, das ist ist eher der Grund 😉

      • Natürlich geht es auch ohne 🙂
        Ich weiß auch nicht mehr genau, warum ich an dem Buch gescheitert bin. An Rastlosigkeit mangelt es eigentlich nicht. Aber manchmal liest man Bücher ja auch nur zur falschen Zeit – es ist schon ein paar Jahre her, dass ich es versucht habe.

      • 😉 na dann war es wohl die falsche Zeit … wie Menschen trifft man Bücher manchmal ja auch zweimal im Leben ;)))

  4. Habe das Buch auch noch nicht gelesen, danke für die kleine Reise beim Mitlesen. Die Idee, nicht im täglichen Klein-Klein zu versauern, ist ja schon eine, die auch mich treibt. Aber ganz anderes. Will mich mal an die alte Schwarte ranwagen 😉

  5. Pingback: Die Magie der Improvisation « Montbron

  6. Also ich für meinen Teil fand das Buch super… diese Rastlosigkeit, dieses „Andersseinwollen“, kein gepflegtes Haus mit Garten und Auto in der Einfahrt… treibt mich auch immer mal wieder um. Auch wenn die Protagonisten und auch ich daran scheitern, das Gefühl ist auf jeden Fall immer „da“. Und dieses Buch ist ein Ausdruck davon.

    • Sehe ich genauso. Der Ausbruch – ich habe das immer bewundert, weil ich es schon immer absolut cool fand, wenn man so unabhängig sein kann … und es selbst nie geschafft oder auch nicht gewollt habe 😉

  7. Eine sehr schöne Rezension. Ja, die Rastlosigkeit … die irgendwie in einem steckt, kann schon anstrengend sein. Irgendwann möchte man dann doch zur Ruhe kommen. Aber das ist hier nicht drin 😉 Kennst Du Maggie Cassidy von ihm? Merkwürdigerweise hat mich damals ein Rod Stewart Song auf das Buch aufmerksam gemacht … Musik also immer wichtig 😉 Muss die Maggie mal wieder aus dem Regal holen …

  8. Pingback: www.beat.company | Bum Bum Bum

  9. Mein Lieblingsbuch! Mir gefällt, dass du erwähnst, dass Kerouac immer am Rande des Geschehens war, dass er kein wilder Abenteurer, sondern eher Begleiter und Zuschauer war. Das verstehen nämlich viele falsch. Zum Beispiel die Macher des Films „Kill your Darlings“, in dem Kerouac vorkommt und als extrovertierter, dominanter Künstler dargestellt wird. 🙂

  10. Pingback: David Bowie Bookclub | Binge Reading & More

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