Husum by the Book

Habt Ihr Lust auf einen kurzen Besuch in der malerischen Stadt Husum, der Heimat des berühmten Dichters Theodor Storm? Zwischen Weihnachten und Neujahr machen wir ja fast jedes Jahr Schleswig-Holstein unsicher und ich habe wirklich keine Ahnung, warum es uns bislang noch nicht in diese echt charmante Stadt an der Nordsee gezogen hat. Husum ist ein Ort an dem das Wetter tanzt und bei unserem Besucht herrschten definitiv schottische Verhältnisse bei denen wir alle paar Minuten ein anderes Jahreszeit hatten. Es hat uns auf jeden Fall auch ordentlich durchgepustet.

Ein büsschen Geschichte vorab

Bevor wir jedoch in die Spuren von Theodor Storm treten, werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte von Husum. Die Stadt, die als graue Perle der Nordsee bekannt ist, hat eine reiche Vergangenheit, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Die Altstadt mit ihren historischen Gebäuden, Kopfsteinpflasterstraßen und gemütlichen Gassen lässt einen förmlich in die Geschichte eintauchen.

Husum war nicht nur Heimat für Fischersleute und Händler, sondern auch der Geburtsort von Theodor Storm im Jahr 1817. Der Dichter, der sich oft von der norddeutschen Landschaft inspirieren ließ, verewigte Husum in seinen Werken, insbesondere in „Die graue Stadt am Meer“.

Sturm und Drang im Theodor Storm Museum

Unsere erste Anlaufstelle war das Theodor Storm Museum, ein Ort, an dem die Worte des Dichters lebendig werden. Das Museum, gelegen in einem historischen Gebäude, präsentiert nicht nur das Leben und Werk Storms, sondern auch die Zeit, in der er lebte. Als wir die Tür öffneten, wurden wir von einer wohltuenden Mischung aus Büchergeruch und norddeutscher Gemütlichkeit begrüßt. Man bekommt durchaus Lust sich mit einer Tasse Tee auf Storms Sofa zu packen und seine Bücherregale durchzugucken.

Briefe, persönliche Gegenstände und handschriftliche Notizen erweckten den Dichter zum Leben. Die Ausstellung vermittelte nicht nur einen Einblick in Storms literarisches Schaffen, sondern auch in seine Liebe zur norddeutschen Landschaft und seine tiefe Verbundenheit mit Husum.

Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.

Unser nächste Weg führte uns der gleich zum Antiquariat gegenüber. Das Antiquariat, der perfekte Ort für alle Buchliebhaber*innen, bietet eine Schatzsuche durch vergangene Zeiten. Wollte unverzüglich den Laden übernehmen und mich zwischen den alten Schmökern, den vergilbten Seiten und dem Duft von altem Papier verstecken und erst wieder rauskommen, wenn die Welt wieder normal ist 😉 Das Antiquariat hat nicht nur Bücher, sondern auch Briefmarken, Postkarten und andere Schätze aus vergangenen Tagen.

Husum – wo der Himmel die Erde küsst

Husum ist ein wirklich hübsches Städtchen und der Ausflug hat großen Spaß gemacht. Da wir ja sehr häufig in Rendsburg sind und es von dort nach Husum nicht weit, werden wir sicherlich das eine oder andere Mal noch einen Abstecher machen. Würde die Stadt sehr gerne mal im Sommer sehen und am Hafen sitzen und Möwen gucken.

Man kann natürlich gar nicht nach Husum reisen ohne den „Schimmelreiter“ im Gepäck zu haben.

Die Umgebung von Husum mit ihren idyllischen Deichen und dem sich ständig verändernden Wetter schien geradezu maßgeschneidert für Storms Erzählung. Die düstere Stimmung des „Schimmelreiters“ fand sich in der rauen Schönheit der Landschaft wieder. Die Deiche, die als schützende Barrieren gegen die Naturgewalten dienen, werden hier zu Schauplätzen von übernatürlichen Ereignissen, die mich von der ersten Seite an fesselten.

„Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm ist eine Novelle, die im 18. Jahrhundert an der nordfriesischen Küste spielt. Die Hauptfigur, Hauke Haien, ist ein junger, aufstrebender Deichgraf mit visionären Ideen zur Verbesserung der Deiche und dem Schutz des Landes vor Sturmfluten. Hauke tritt die Nachfolge seines Vaters als Deichgraf an und bringt frischen Wind in die traditionelle Denkweise der Dorfgemeinschaft.

Entgegen den konventionellen Methoden schlägt Hauke den Bau eines neuen Deiches vor, der höher und stabiler sein soll als die bestehenden Deiche. Sein Plan stößt jedoch auf Widerstand in der konservativen Dorfgemeinschaft, die seinen innovativen Ansätzen skeptisch gegenübersteht. Haukes fortschrittliche Ideen und sein distanziertes, introvertiertes Wesen isolieren ihn zunehmend von den Dorfbewohnern.

Die Handlung kulminiert in einer verheerenden Sturmflut, die die Region heimsucht. Hauke, auf seinem weißen Schimmel, reitet auf dem Deich, um die Schutzmaßnahmen zu überwachen. Die Naturgewalten brechen jedoch über den Deich herein…

Die Geschichte wird häufig als eine düstere Allegorie über den menschlichen Hochmut und die Unberechenbarkeit der Natur interpretiert. Storm zeichnet ein Bild von einem Mann, der gegen die Konventionen kämpft, aber letztendlich den Kräften der Natur unterliegt. „Der Schimmelreiter“ ist ein Meisterwerk der deutschen Novellenliteratur, die auf einer alten Sage basiert. Ein Werk das sowohl durch seine psychologische Tiefe als auch durch seine atmosphärische Darstellung der nordfriesischen Landschaft beeindruckt.

Der ernste Gedankenstrich in Theodor Storms Novellistik erschien Theodor W. Adorno als „Falten auf der Stirn der Texte“ – was für ein hübscher Gedanke (danke an die Übersenderin dieses wunderbaren Zitates) mir waren nicht übermäßig viele Gedankenstriche aufgefallen, aber als ich meinen dicken Storm Wälzer mal durchblätterte, da sprangen sie mir dann tatsächlich ins Gesicht. Stimmt schon, seine Texte haben durchaus einiges an Falten im Gesicht 😉

„Der Schimmelreiter“ hat mir sehr gefallen. Die Sprache ist wundervoll, man ist ruckzuck in der Geschichte und ich konnte es gar nicht weglegen. Perfekte Herbst-/Winterlektüre – kann ich wirklich jedem ans Herz legen.

„Sturm und Stille“ von Jochen Missfeldt – Eine Zweisamkeit in Zeit und Stille oder „wie ist denn das bloß möööööchlich“

Die Liebesgeschichte von Theodor Storm und Doris Jensen, seiner langjährigen Geliebten und späteren Ehefrau, erzählt vom Storm-Biografen Jochen Missfeldt. Kurz nachdem Theodor Storm seine Verlobte Constanze Esmarch 1846 geheiratet hat, geht er eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit der achtzehnjährigen Doris Jensen ein. Sie stammt wie er aus Husum, ist die Tochter des wohlhabenden Holzhändlers und Senators Peter Jensen. Dessen Familie zählt, wie auch Storms Familie mütterlicherseits, zum Husumer Patriziat: Man besucht sich, trinkt Tee und Punsch und spielt Whist und L’Hombre. Die Liebe der beiden ist für Storms junge Ehe eine schwere Belastung. Erst im Jahr 1848, Constanze ist im dritten Monat schwanger, geht Doris – wahrscheinlich auf Druck der Familienoberen – von Husum fort. Für sie beginnt eine fünfzehn Jahre währende Odyssee, eine Zeit des Lernens und der Selbstbehauptung. Doch das Liebesverhältnis dauert an, und als Constanze nach der Geburt ihres siebten Kindes überraschend stirbt, finden die beiden endlich zueinander.

Auf dem Deich versuchte ich, meinen Kopf aufrecht zu tragen und meinen Gang fester zu gehen, war aber bald in alten Träumereien versunken. Grübelnd und vergebens suchte ich Klarheit über meinen Lebensweg. Wollte ich wirklich Klarheit? War nicht alles gut, wie es war? Windstöße zerrten an unseren Kleidern, Wolken flogen in Fetzen und Lumpen. Über Nordstrand drohte ein schwarzblaues Wetterungeheuer, von dem mein Barometer nichts gewusst hatte.

Missfeldt zeichnet ein feinfühliges Porträt von Dorothea, einer Frau, die oft im Schatten ihres berühmten Mannes stand. Durch seine einfühlsame Erzählweise verleiht der Autor Dorothea eine eigene Stimme und lässt den Leser an den Gedanken und Emotionen dieser faszinierenden Frau teilhaben.

Die Handlung von „Sturm und Stille“ verwebt geschickt historische Fakten mit fiktionalen Elementen, um die Liebe und das Leben von Theodor und Dorothea zu beleuchten. Missfeldt gelingt es, die emotionalen Nuancen ihrer Beziehung einzufangen, und vermittelt dabei die Herausforderungen, denen das Paar in einer Zeit des Umbruchs und des gesellschaftlichen Wandels gegenüberstand.

Jochen Missfeldt verbindet geschickt historische Details mit einer poetischen Erzählweise, die den Leser mitnimmt auf eine Reise durch die Zeit und das Porträt eines außergewöhnlichen Frauenlebens und einer innigen turbulenten Beziehung

Ein wunderbar poetisches Buch – habe es sehr gerne gelesen.

Kennt ihr Husum? Oder habt ihr ein bißchen Lust bekommen mal hinzufahren? Habt ihr schon was von Theodor Storm gelesen, was würdet ihr mir als nächste Lektüre von ihm empfehlen? Freue mich von Euch zu hören und jetzt plane ich schon langsam mal die nächste Reise … by the Book…

7 Kommentare zu “Husum by the Book

  1. Liebe Sabine!
    Oh, ich liebe Deine literarischen Reiseberichte „… by the book“. Sie sind wunderbar. Dankeschön! Auch ich liebe es, vor und nach einem Urlaub in die passenden Lektüren zum Reiseort abzutauchen.
    Und mit der Mischung aus Meeresbrise und Literaturgeschichte wie bei „Sturm und Stille“ triffst Du sowieso vollkommen eine Nerv bei mir… ist sofort auf meiner Wunschliste gelandet. Danke für den schönen Beitrag und ganz herzliche Wochenendgrüße! Barbara

  2. Selbstverständlich kenne ich Husum. Die Stadt ist schließlich nicht weit entfernt von der nördlichsten Landeshauptstadt.

    Hast Du gar nicht Theodor Storm im Schlosspark besucht? Dort findet auch wie in jedem Jahr im März das Krokusblütenfest statt.

  3. Pingback: Februar by the Book | Binge Reading & More

  4. Schöner, neugierig machender Beitrag. Von Storm habe ich bisher nur den Schimmelreiter gelesen und immensee.

    Ich glaub mein nächster Ausflug geht nach Husum

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