Februar by the Book

Der Februar war wieder ein ausgesprochen guter Lesemonat. Ohnehin scheint 2024 ein herausragendes Literaturjahr für mich zu sein, ich habe schon so viele 5-Sterne Bücher gelesen in diesem Jahr, wie gefühlt im ganzen letzten Jahr zusammen. Auch diesen Monat war kein richtiger Fehlgriff dabei, ich stelle sie euch wieder kurz alphabetisch vor.

Radicals chasing utopio – Jamie Bartlett auf deutsch unter dem Titel „Radicals: Wie Außenseiter die Welt verändern wollen und weshalb wir ihnen zuhören sollten“ im Plassen Verlag erschienen.

In „Radicals“ nimmt Jamie Bartlett, einer der weltweit führenden Denker zu radikaler Politik und Technologie, die Leser mit in die fremdartigen und aufregenden Welten der Innovatoren, Disruptoren, Idealisten und Extremisten, die der Auffassung sind, dass im Kern der modernen Gesellschaft etwas falsch ist – und glauben, dass wir es besser können. Bartlett stellt einige der wichtigsten Bewegungen unserer Zeit vor: Techno-Futuristen, die Unsterblichkeit anstreben; extrem rechte Gruppen, die Grenzen schließen wollen; militante Umweltaktivisten, die den Planeten mit allen notwendigen Mitteln retten wollen; psychedelische Pioniere, die die Gesellschaft mithilfe starker Halluzinogene heilen wollen. Der Erfolg demokratischer Gesellschaften hängt von unserer Fähigkeit ab, den radikalen Bewegungen in unserer Mitte zuzuhören – und in manchen Fällen von ihnen zu lernen. Ihre Ansichten mögen extrem sein, aber in der Verfolgung ihrer Utopien stellen diese Gruppen infrage, was möglich ist, und nehmen die künftige Welt vorweg.

Auch wenn mir der Einblick in verschiedene radikale Gruppen gefiel, hatte ich das Gefühl, dass Bartlett die Erzählung oft zu sehr lenkte, anstatt die Leute und die Gruppen für sich selbst sprechen zu lassen. Habe es dennoch gerne gelesen, allerdings habe ich irgendwie vergessen ein Foto vom Buch zu machen, bevor ich es in den offenen Bücherschrank zurückgestellt habe, woher ich es auch hatte.

Alte Baukunst und neue Architektur – Günther Fischer erschienen im Birkhäuser Verlag

Seit ich vor einigen Jahren eine Architektur Stadtführung durch Chicago gemacht habe, gehe ich mit ganz anderen Augen durch die Städte und bin sehr fasziniert von Architektur, Stadtplanung, Design und Baukunst.

In diesem hochwertigen mit großartigen Bildern ausgestatteten Band schafft der Autor es auf nur 280 Seiten eine knappe, präzise Entwicklungsgeschichte der Architektur hinzulegen, die mich wirklich beeindruckt hat. Eine bestechende Gesamtschau, die auf das Wesentliche konzentriert und von der Baukunst der Antike bis zur erste Phase des Neubeginns in der Renaissance, von der Entfaltung der modernen Architektur bis hin zur Gegenwart und ihrer zukünftigen Entwicklung erzählt. Fischer zeigt auch die Schwierigkeiten und Irrwege großer Architekten auf, beleuchtet den einstigen Zeitgeist und die damit verbundenen Konflikte.

Das System der alten Baukunst konnte nicht weiterbestehen, weil im 19. Jahrhundert nicht nur ein begrenzter historischer Abschnitt zu Ende ging, sondern eine ganze weltgeschichtliche Epoche. Man lässt die Neuzeit ja immer mit der Renaissance beginnen, und es gibt viele gute Gründe dafür – Gutenberg, Kolumbus, Galilei etc -, aber Kaisertum und Feudalismus stürzten erst mit der Französischen Revolution und mussten ihre Macht erst gegen Mitte des 19. Jahrhunderts endgültig an das Bürgertum abgeben.

Ein sehr schönes Werk für alle die Spaß an Architektur und die Geschichte der Baukunst haben.
Wahrscheinlich nix für Experten, aber ein sehr schönes, hochwertiges Buch, das man – wahrscheinlich immer wieder – gerne in die Hand nimmt.
Einziger Kritikpunkt – Frauen kommen so gut wie überhaupt nicht vor. Hätte ja immerhin ein paar gegeben.

Fremd – Michel Friedmann erschienen im Berlin Verlag

Michel Friedmann war bisher ein Mensch für mich, der nicht übermäßig symphatisch auf mich wirkte, weil er auf mich wie ein geschleckter FDP Politiker wirkte. Vor einiger Zeit las ich ein Interview mit ihm und fand ihn da so ungemein klug, besonnen und interessant, dass mir meine dämlichen Vorurteile echt peinlich waren.

Vor Kurzem hatte ich im Literaturhaus in München die Gelegenheit ihn am Holocaust-Gedanktag im Gespräch mit Lena Gorelik und Dana Vowinckel zu erleben, wo er unter anderem auch aus seinem Buch „Fremd“ vorlas.

Mich hat der Text sehr berührt, ich habe mir das Buch gekauft und signieren lassen und habe es in einem Rutsch durchgelesen. Ein Buch das mir sehr nahe gegangen ist.

Ein Kind, voller Furcht, kommt nach Deutschland – ins Land der Mörder, die die Familien seiner Eltern ausgelöscht haben. Hier soll es Wurzeln schlagen, ein Leben aufbauen.

Das Kind staatenloser Eltern tut, was es kann. Es will Kind sein. Es will träumen. Es will leben. Doch was es auch erlebt, sind Judenhass, Rassismus und Ausgrenzung – und eine traumatisierte Kleinfamilie, die es mit Angst und Fürsorge zu ersticken droht.

Mit zehn Jahren
im verdunkelten Wohnzimmer in Paris:
Bücher,
Bücher, meine Wunderwelt.
Meine Traumwelt.
Meine Fluchtwelt.
Lesen: mein Schutzraum
vor einer feindlichen Welt.
Bis heute.

Mit großem Gespür für Zwischentöne und einer kunstvoll verdichteten Sprache zeichnet Friedman das verstörende Bild der Adoleszenz in einer als fremd und gefährlich empfundenen Welt. Das berührende Kaleidoskop eines existenziellen Gefühls, das seziert werden muss, damit es die Seele nicht auffrisst.

Wifedom: Mrs Orwell’s Invisible Life – Anna Funder bislang nicht auf deutsch erschienen

Meine Hörbuch-„Lektüre“ diesen Monat war „Wifedom“ von Anna Funder. Und dieses Buch ist mehr als nur eine Biografie über die erste Frau von George Orwell, Eileen O’Shaughnessy. Die australische Autorin und ehemalige Menschenrechtsanwältin bringt in diesem genreübergreifenden Werk ihre eigenen Erfahrungen und Herausforderungen als Frau und Ehepartnerin ein, während sie gleichzeitig das Leben und die Rolle von Eileen O’Shaughnessy im Kontext von George Orwells Schaffen beleuchtet.

Das Buch entstand aus Funders Verägerung darüber wie wenig über die Orwells Frauen in seinem Leben geschrieben wurde in seinen Biografien, insbesondere über das nahezu komplette Fehlen von Eileen O’Shaughnessy, seiner ersten Frau, die ihn zB in den spanischen Bürgerkrieg begleitete und im Alter von 39 Jahren während einer Operation verstarb.

Die Autorin wirft einen Blick auf das „Wifedom“, das durch ihre eigene Lebenserfahrung gefärbt ist. Das Buch, das für den Gordon Burn Prize nominiert wurde, ist nicht nur eine Biografie, sondern auch eine tief empfundene Erinnerung an Funders eigene Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Erwartungen, die mit dem Status der Ehefrau einhergehen.

Funders Frustration wächst, je mehr sie über Orwell erfährt, der eigentlich einer ihrer Lieblingsautoren ist. Doch es schmerzt sie zu lesen, wie sehr zB die Mitarbeit n O’Shaughnessy an Orwells Roman 1948 ignoriert wurde oder auch ihre wichtige Arbeit im spanischen Bürgerkrieg. Wie so viele von uns muss sie für sich einen Weg finden mit den dunkleren Seiten geliebter Künstler*innen umzugehen. Dabei taucht Funder tief in die Briefe ein, die O’Shaughnessy an ihre Freundin Norah Symes schrieb. Die Autorin geht dabei mutig – und mit Kontroversen behaftet – vor, indem sie die Briefe erweitert, um ein detaillierteres Bild vom gemeinsamen Leben des Paares zu zeichnen.

Die Lesung von Jane Slavin, die die Briefe von O’Shaughnessy liest, vermittelt das Bild einer charismatischen Frau, die sich in schwierigen Umständen nicht so sehr unterdrückt zeigt, sondern vielmehr mutig das Beste aus ihrer Situation macht. In einem ihrer Briefe, der zu Beginn ihrer Ehe geschrieben wurde, offenbart O’Shaughnessy, wie sie und Orwell so viel stritten, dass sie dachte: „Ich würde Zeit sparen und einfach einen Brief an alle schreiben, wenn der Mord oder die Trennung vollzogen ist.“

Anna Funder verwebt gekonnt ihre eigene Stimme mit der von Eileen O’Shaughnessy, um eine einzigartige Perspektive auf das Leben von George Orwell zu bieten. Der Leser bekommt nicht nur Einblicke in die oft übersehene Rolle von Frauen hinter berühmten Männern, sondern auch in die tiefen Herausforderungen und Triumphe, die mit der Partnerschaft und „Wifedom“ verbunden sind. Funder zeigt, dass Eileen O’Shaughnessy nicht nur die Frau an Orwells Seite war, sondern eine eigenständige Persönlichkeit mit eigenen Träumen und Kämpfen.

Patriarchy is a fiction in which all the main characters are male and the world is seen from their point of view. Women are supporting cast – or caste. It is a story we all live in, so powerful that it has replaced reality with itself. We can see no other narrative for our lives, no roles outside of it, because there is no outside of it. In this fiction, the vanishing trick has two main purposes. The first is to make what she does disappear (so he can appear to have done it all, alone). The second is to make what he does to a woman disappear (so he can be innocent). This trick is the dark, doublethinking heart of patriarchy.

Das Buch regt dazu an, über die unsichtbare Arbeit von Frauen nachzudenken, die nicht nur als Unterstützung, sondern als aktive Gestalterinnen des Lebens und Schaffens ihrer Partner fungierten. In „Wifedom“ schafft Anna Funder eine beeindruckende Synthese aus Biografie, Memoiren und Reflexion über das Wesen der Ehe und Partnerschaft.

Ich habe es sehr gerne gehört und kann es nur empfehlen!

Sturm und Stille – Jochen Missfeld erschienen im Rowohlt Verlag

Das Buch habe ich euch schon in meinem Beitrag „Husum by the Book“ vorgestellt. Schaut da gerne noch mal vorbei.

Stoner – John Williams unter dem gleichnamigen Titel auf deutsch erschienen im dtv Verlag, übersetzt von Bernhard Robben

John Williams‘ „Stoner“ ist ein literarisches Meisterwerk, das die stille, berührende Lebensreise eines Mannes namens William Stoner verfolgt. Veröffentlicht im Jahr 1965, erfuhr das Buch erst Jahre später eine Renaissance und wird nun als eines der übersehenen Juwelen der amerikanischen Literatur betrachtet. Der Roman ist ein intimes Porträt eines einfachen Mannes, der durch sein Leben navigiert und dabei die Höhen und Tiefen der Liebe, der Bildung und der beruflichen Ambitionen erlebt.

Die Handlung beginnt im späten 19. Jahrhundert und begleitet Stoner durch sein gesamtes Leben. Der Roman beginnt mit Stoners Entscheidung, Landwirtschaft zu studieren, obwohl sein Vater sich das anders vorgestellt hatte. Schnell wird klar, dass Stoners Begeisterung für die Literatur seine wahre Leidenschaft ist. Dieser innere Konflikt zwischen den Erwartungen der Familie und seinen eigenen Leidenschaften ist ein wiederkehrendes Thema im Roman.

Der Leser wird Zeuge von Stoners Erfahrungen an der University of Missouri, wo er Literatur studiert und schließlich auch lehrt. Williams schafft es meisterhaft, Stoners innere Welt darzustellen und wie er mit den Herausforderungen des akademischen Lebens, der Liebe und der Familiengründung umgeht. Die Charakterentwicklung ist subtil, aber jeder Schritt, den Stoner macht, trägt zur Verfeinerung seiner Persönlichkeit bei.

Ein faszinierender Aspekt des Romans ist die Weise, wie Williams die Details des Alltagslebens in den Text einwebt. Ob es sich um Stoners Beziehung zu seiner Frau Edith handelt, die von Anfang an von Spannungen geprägt ist, oder um die Herausforderungen, die mit der Arbeit an einer Universität einhergehen – der Autor schafft es, alltägliche Momente in bewegende Erzählungen zu verwandeln.

Die Charaktere in „Stoner“ sind komplex und tiefgründig. Edith, Stoners Frau, ist eine besonders faszinierende Figur, die mit ihren eigenen inneren Dämonen zu kämpfen hat. Die Darstellung von Ehe und Familie in „Stoner“ ist realistisch und zeigt, dass das Leben oft von Kompromissen und Opfern geprägt ist.

„Stoner“ von John Williams ist ein zeitloser Roman, der die Essenz der menschlichen Existenz einfängt. Es ist ein Buch über das Leben, die Liebe, die Arbeit und die Suche nach Bedeutung. Die Einfachheit der Handlung und die Tiefe der Charaktere machen es zu einem Werk, das den Leser dazu bringt, über die eigenen Lebensentscheidungen nachzudenken. Es ist eine Ode an die Stille, die im Alltäglichen lauert, und ein Denkmal für das gewöhnliche Leben, das außergewöhnlich wird, wenn man genauer hinschaut.

Sometimes, immersed in his books, there would come to him the awareness of all that he did not know, of all that he had not read; and the serenity for which he labored was shattered as he realized the little time he had in life to read so much, to learn what he had to know.”

Ich denke ihr merkt, wie gut er mir gefallen hat. Dennoch habe ich nur 4 Sterne vergeben, denn ein bißchen mehr Aufbegehren oder Gestaltungswille hätte ich mir dann doch vielleicht gewünscht. Außerdem fände ich es super interessant ein Buch zu lesen das aus Edith’s Sicht geschrieben ist.

Zurecht ein Klassiker! Kennt ihr den Roman? Mochtet ihr ihn? Habe ansonsten noch Augustus von John Williams gelesen, das war in meinen Augen vielleicht sogar noch besser als Stoner. Ein großartiger Autor und ich freue mich, dass mir noch zwei weitere Romane von ihm bleiben, die ich entdecken kann.

In Memoriam – Alice Winn auf deutsch unter dem Titel „Durch das große Feuer“ im Eisele Verlag erschienen, übersetzt von Ursula Wulfekamp und Benjamin Mildner

Alice Winns Debütroman „In Memoriam“ hat mich tief berührt und beeindruckt – es ist eine wunderschöne, wenn auch zutiefst traurigen Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Männern im Schatten des Ersten Weltkriegs.

Die Handlung entfaltet sich im idyllischen Preshute, einer Schule, die zwar fiktiv ist, aber angelehnt an das berühmte Marlborough College, dass man ihre Atmosphäre förmlich riechen kann. Inmitten der Unschuld des Jahres 1914 spielen die Jungen Krieg im Wald, beflügelt von epischer Poesie und griechischen Sagen. Henry Gaunt ist ein junger Mann, der nicht nur mit seiner physischen Größe, sondern auch mit unterdrückten Gefühlen für seinen besten Freund Sidney Ellwood zu kämpfen hat.

Sidney, charmant und mit einem Hang zur Poesie und lyrischen Zitaten, erwidert zwar Gaunts Gefühle, doch die Unfähigkeit der beiden, ihre „Abnormalitäten“ einander zu gestehen, setzt eine emotionale Reise in Gang, die aus unbeschwerten Schultagen in die Grausamkeiten des 1. Weltkrieges führt. Das Schicksal zwingt Gaunt und Ellwood dazu, sich nicht nur mit ihrer Liebe, sondern auch mit den brutalen Realitäten des Krieges auseinanderzusetzen.

Was diesen Roman so herausragend macht, ist nicht nur die tiefgehende Charakterentwicklung, sondern auch Winns beeindruckende Fähigkeit, die Grausamkeiten des Krieges schonungslos darzustellen und dabei dennoch so wunderbar zu schreiben. Von den Debatten im Preshutian bis zu den blutigen Schlachten von Loos und der Somme, der Leser wird mitgerissen in Welt die urplötzlich nur noch aus unendlichem Horror besteht. Egal wie viele Kriegsromane oder -filme ich in meinem Leben schon gelesen oder gesehen habe, dieses Buch hat mich zutiefst schockiert.
Die Listen und Listen voller Namen junger Männer zwischen 17 und 25 – an einem Tag sind allein 60.000 englische Soldaten gefallen! Was für eine Grausamkeit und der Hohn wenn man bedenkt, dass das der Krieg sein wollte, der den Krieg für immer besiegen sollte.

“I’m sorry. This is not what I intended to say. What I meant to say is this: You’ll write more poems. They are not lost. You are the poetry.”

Der Titel ist angelehnt an an ein Gedicht von Tennysons Gedicht und verweist auch auf die Todesanzeigen-Spalte der Preshutian Schulzeitung. Hier, am Ende des Romans, wird der Tribut an die Toten zu einem eindringlichen Moment, der die Sinnlosigkeit des Krieges zeigt und die vielen vielen Leben, die durch ihn zerstört wurden.

„In Memoriam“ ist eine Hommage an die Liebe in Zeiten des Krieges, eine Geschichte, die sowohl fasziniert als auch zutiefst bewegt. Ein absolutes Meisterwerk, das noch lange nachklingt und einen tiefen Eindruck hinterlässt. Was für ein Debüt! Freue mich jetzt schon auf Alice Winns nächstes Buch.

Morgen, Morgen und wieder Morgen – Gabrielle Zevin erschienen im Eichborn Verlag, übersetzt von Sonia Bonné

Das ist eines der Bücher, bei denen man, wenn man gefragt wird, worum es in dem Buch eigentlich geht, etwas ratlos ist. Denn wie der Klappentext schon sagt, im Wesentlichen geht es um zwei gute Freunde, die zusammen ein Videospiel machen. Aber das Buch ist tatsächlich so viel mehr. Aber bevor ich darauf eingehe, worum es nun wirklich sonst noch in diesem wirklich großartigen Buch geht, möchte ich nochmal vorausschicken, wie sehr ich das Buch anfangs gar nicht lesen wollte.

Ich war nie ein Gamer und dachte ich würde mit dem Buch daher nix anfangen können. Hier ging es aber um so viel mehr als nur um Videospiele und um so viel mehr als eine normale Freundschaft. Warum das so ist finde ich gar nicht so einfach in Worte zu fassen. Es hat für mich einfach so viel auf den Punkt gebracht, so viel kluge nuancierte Einblicke gewährt in das, was Freundschaft ausmacht, auf das Leben und die Erfahrungen die Menschen im Laufe ihres Lebens machen – das hat mich wirklich schwer beeindruckt. Gabrielle Zevin verinnerlicht für mich das berühmte „show don’t tell“

Erzählt wird hauptsächlich die Geschichte von Sam und Sadie, doch auch Marx spielt eine große Rolle. Die beiden lernen sich als Kinder im Krankenhaus kennen, wo Sam als Patient und Sadie als Besucherin ihrer schwer kranken Schwester regelmäßig miteinander am Computer spielen. Nach Jahren treffen sie sich zufällig wieder, teilen noch immer die Liebe zum Computer spielen und entwickeln gemeinsam mit großer Unterstützung von Marx einige sehr erfolgreiche Computerspiele.

“What is a game?“ Marx said. „It’s tomorrow, and tomorrow, and tomorrow. It’s the possibility of infinite rebirth, infinite redemption. The idea that if you keep playing, you could win. No loss is permanent, because nothing is permanent, ever.”

Wir verfolgen die Entwicklung, Freundschaft, Entfremdung von Sam und Sadie durch Rückblicke in ihre Kindheit und über die nächsten 30 Jahre ihrer Beziehungen untereinander. Diese sind auch immer wieder durch Missverständnisse und Streiterei unterbrochen, die einem das Gefühl vermitteln diese Probleme sind Hindernisse wie sie in Computerspielen vorkommen.

Man muss definitiv kein Gamer sein, um dieses Buch zu lieben, aber ich kann mir fast nicht vorstellen, dass man dieses Buch lesen kann ohne Marx zu lieben!

So und jetzt ihr! Welches dieser Bücher habt ihr auch gelesen, wollt ihr lesen? Welche mochtet ihr? Welche nicht? Freue mich sehr von euch zu hören.

Husum by the Book

Habt Ihr Lust auf einen kurzen Besuch in der malerischen Stadt Husum, der Heimat des berühmten Dichters Theodor Storm? Zwischen Weihnachten und Neujahr machen wir ja fast jedes Jahr Schleswig-Holstein unsicher und ich habe wirklich keine Ahnung, warum es uns bislang noch nicht in diese echt charmante Stadt an der Nordsee gezogen hat. Husum ist ein Ort an dem das Wetter tanzt und bei unserem Besucht herrschten definitiv schottische Verhältnisse bei denen wir alle paar Minuten ein anderes Jahreszeit hatten. Es hat uns auf jeden Fall auch ordentlich durchgepustet.

Ein büsschen Geschichte vorab

Bevor wir jedoch in die Spuren von Theodor Storm treten, werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte von Husum. Die Stadt, die als graue Perle der Nordsee bekannt ist, hat eine reiche Vergangenheit, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Die Altstadt mit ihren historischen Gebäuden, Kopfsteinpflasterstraßen und gemütlichen Gassen lässt einen förmlich in die Geschichte eintauchen.

Husum war nicht nur Heimat für Fischersleute und Händler, sondern auch der Geburtsort von Theodor Storm im Jahr 1817. Der Dichter, der sich oft von der norddeutschen Landschaft inspirieren ließ, verewigte Husum in seinen Werken, insbesondere in „Die graue Stadt am Meer“.

Sturm und Drang im Theodor Storm Museum

Unsere erste Anlaufstelle war das Theodor Storm Museum, ein Ort, an dem die Worte des Dichters lebendig werden. Das Museum, gelegen in einem historischen Gebäude, präsentiert nicht nur das Leben und Werk Storms, sondern auch die Zeit, in der er lebte. Als wir die Tür öffneten, wurden wir von einer wohltuenden Mischung aus Büchergeruch und norddeutscher Gemütlichkeit begrüßt. Man bekommt durchaus Lust sich mit einer Tasse Tee auf Storms Sofa zu packen und seine Bücherregale durchzugucken.

Briefe, persönliche Gegenstände und handschriftliche Notizen erweckten den Dichter zum Leben. Die Ausstellung vermittelte nicht nur einen Einblick in Storms literarisches Schaffen, sondern auch in seine Liebe zur norddeutschen Landschaft und seine tiefe Verbundenheit mit Husum.

Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.

Unser nächste Weg führte uns der gleich zum Antiquariat gegenüber. Das Antiquariat, der perfekte Ort für alle Buchliebhaber*innen, bietet eine Schatzsuche durch vergangene Zeiten. Wollte unverzüglich den Laden übernehmen und mich zwischen den alten Schmökern, den vergilbten Seiten und dem Duft von altem Papier verstecken und erst wieder rauskommen, wenn die Welt wieder normal ist 😉 Das Antiquariat hat nicht nur Bücher, sondern auch Briefmarken, Postkarten und andere Schätze aus vergangenen Tagen.

Husum – wo der Himmel die Erde küsst

Husum ist ein wirklich hübsches Städtchen und der Ausflug hat großen Spaß gemacht. Da wir ja sehr häufig in Rendsburg sind und es von dort nach Husum nicht weit, werden wir sicherlich das eine oder andere Mal noch einen Abstecher machen. Würde die Stadt sehr gerne mal im Sommer sehen und am Hafen sitzen und Möwen gucken.

Man kann natürlich gar nicht nach Husum reisen ohne den „Schimmelreiter“ im Gepäck zu haben.

Die Umgebung von Husum mit ihren idyllischen Deichen und dem sich ständig verändernden Wetter schien geradezu maßgeschneidert für Storms Erzählung. Die düstere Stimmung des „Schimmelreiters“ fand sich in der rauen Schönheit der Landschaft wieder. Die Deiche, die als schützende Barrieren gegen die Naturgewalten dienen, werden hier zu Schauplätzen von übernatürlichen Ereignissen, die mich von der ersten Seite an fesselten.

„Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm ist eine Novelle, die im 18. Jahrhundert an der nordfriesischen Küste spielt. Die Hauptfigur, Hauke Haien, ist ein junger, aufstrebender Deichgraf mit visionären Ideen zur Verbesserung der Deiche und dem Schutz des Landes vor Sturmfluten. Hauke tritt die Nachfolge seines Vaters als Deichgraf an und bringt frischen Wind in die traditionelle Denkweise der Dorfgemeinschaft.

Entgegen den konventionellen Methoden schlägt Hauke den Bau eines neuen Deiches vor, der höher und stabiler sein soll als die bestehenden Deiche. Sein Plan stößt jedoch auf Widerstand in der konservativen Dorfgemeinschaft, die seinen innovativen Ansätzen skeptisch gegenübersteht. Haukes fortschrittliche Ideen und sein distanziertes, introvertiertes Wesen isolieren ihn zunehmend von den Dorfbewohnern.

Die Handlung kulminiert in einer verheerenden Sturmflut, die die Region heimsucht. Hauke, auf seinem weißen Schimmel, reitet auf dem Deich, um die Schutzmaßnahmen zu überwachen. Die Naturgewalten brechen jedoch über den Deich herein…

Die Geschichte wird häufig als eine düstere Allegorie über den menschlichen Hochmut und die Unberechenbarkeit der Natur interpretiert. Storm zeichnet ein Bild von einem Mann, der gegen die Konventionen kämpft, aber letztendlich den Kräften der Natur unterliegt. „Der Schimmelreiter“ ist ein Meisterwerk der deutschen Novellenliteratur, die auf einer alten Sage basiert. Ein Werk das sowohl durch seine psychologische Tiefe als auch durch seine atmosphärische Darstellung der nordfriesischen Landschaft beeindruckt.

Der ernste Gedankenstrich in Theodor Storms Novellistik erschien Theodor W. Adorno als „Falten auf der Stirn der Texte“ – was für ein hübscher Gedanke (danke an die Übersenderin dieses wunderbaren Zitates) mir waren nicht übermäßig viele Gedankenstriche aufgefallen, aber als ich meinen dicken Storm Wälzer mal durchblätterte, da sprangen sie mir dann tatsächlich ins Gesicht. Stimmt schon, seine Texte haben durchaus einiges an Falten im Gesicht 😉

„Der Schimmelreiter“ hat mir sehr gefallen. Die Sprache ist wundervoll, man ist ruckzuck in der Geschichte und ich konnte es gar nicht weglegen. Perfekte Herbst-/Winterlektüre – kann ich wirklich jedem ans Herz legen.

„Sturm und Stille“ von Jochen Missfeldt – Eine Zweisamkeit in Zeit und Stille oder „wie ist denn das bloß möööööchlich“

Die Liebesgeschichte von Theodor Storm und Doris Jensen, seiner langjährigen Geliebten und späteren Ehefrau, erzählt vom Storm-Biografen Jochen Missfeldt. Kurz nachdem Theodor Storm seine Verlobte Constanze Esmarch 1846 geheiratet hat, geht er eine leidenschaftliche Liebesbeziehung mit der achtzehnjährigen Doris Jensen ein. Sie stammt wie er aus Husum, ist die Tochter des wohlhabenden Holzhändlers und Senators Peter Jensen. Dessen Familie zählt, wie auch Storms Familie mütterlicherseits, zum Husumer Patriziat: Man besucht sich, trinkt Tee und Punsch und spielt Whist und L’Hombre. Die Liebe der beiden ist für Storms junge Ehe eine schwere Belastung. Erst im Jahr 1848, Constanze ist im dritten Monat schwanger, geht Doris – wahrscheinlich auf Druck der Familienoberen – von Husum fort. Für sie beginnt eine fünfzehn Jahre währende Odyssee, eine Zeit des Lernens und der Selbstbehauptung. Doch das Liebesverhältnis dauert an, und als Constanze nach der Geburt ihres siebten Kindes überraschend stirbt, finden die beiden endlich zueinander.

Auf dem Deich versuchte ich, meinen Kopf aufrecht zu tragen und meinen Gang fester zu gehen, war aber bald in alten Träumereien versunken. Grübelnd und vergebens suchte ich Klarheit über meinen Lebensweg. Wollte ich wirklich Klarheit? War nicht alles gut, wie es war? Windstöße zerrten an unseren Kleidern, Wolken flogen in Fetzen und Lumpen. Über Nordstrand drohte ein schwarzblaues Wetterungeheuer, von dem mein Barometer nichts gewusst hatte.

Missfeldt zeichnet ein feinfühliges Porträt von Dorothea, einer Frau, die oft im Schatten ihres berühmten Mannes stand. Durch seine einfühlsame Erzählweise verleiht der Autor Dorothea eine eigene Stimme und lässt den Leser an den Gedanken und Emotionen dieser faszinierenden Frau teilhaben.

Die Handlung von „Sturm und Stille“ verwebt geschickt historische Fakten mit fiktionalen Elementen, um die Liebe und das Leben von Theodor und Dorothea zu beleuchten. Missfeldt gelingt es, die emotionalen Nuancen ihrer Beziehung einzufangen, und vermittelt dabei die Herausforderungen, denen das Paar in einer Zeit des Umbruchs und des gesellschaftlichen Wandels gegenüberstand.

Jochen Missfeldt verbindet geschickt historische Details mit einer poetischen Erzählweise, die den Leser mitnimmt auf eine Reise durch die Zeit und das Porträt eines außergewöhnlichen Frauenlebens und einer innigen turbulenten Beziehung

Ein wunderbar poetisches Buch – habe es sehr gerne gelesen.

Kennt ihr Husum? Oder habt ihr ein bißchen Lust bekommen mal hinzufahren? Habt ihr schon was von Theodor Storm gelesen, was würdet ihr mir als nächste Lektüre von ihm empfehlen? Freue mich von Euch zu hören und jetzt plane ich schon langsam mal die nächste Reise … by the Book…

November by the Book

Der November war eine gelungene Mischung aus Vorbereitung aufs Reading Weekend in Paris mit Werken von und über Hemingway, herbstlichem Grusel, einem Abstecher ins viktorianische London zum Auftakt meines Sherlock Holmes Marathons und einem spannenden Sachbuch über die Evolution des weiblichen Körpers. Hier dürfte dieses Mal wirklich für fast jeden was dabei sein 😉 Wie immer geht es direkt los in alphabetischer Reiheinfolge.

Cat Bohannon – Eve: How the female Body drove 200 Million Years of Human Evolution auf deutsch erschienen im C. Bertelsmann Verlag

Eine Mythen entlarvende, aufschlussreiche Darstellung darüber, wie sich der Mensch entwickelt hat, die eine Paradigmenverschiebung in unserem Denken darüber bietet, was der weibliche Körper ist, wie er entstanden ist und wie diese Evolution immer noch unser aller Leben beeinflusst.

Wie hat der weibliche Körper 200 Millionen Jahre menschlicher Evolution vorangetrieben? • Warum leben Frauen länger als Männer? • Warum neigen Frauen eher zu Alzheimer? • Warum schneiden Mädchen in jedem schulischen Fach besser ab als Jungen, bis ihre Noten plötzlich in der Pubertät abfallen? • Ist Sexismus für die Evolution nützlich? • Und warum müssen Frauen jede Nacht wie verrückt schwitzen, wenn sie in die Menopause kommen?

Diese Fragen behandelt Cat Bohannon mit grenzenloser Neugier und scharfem Witz die letzten 200 Millionen Jahre, um die spezifische Wissenschaft hinter der Entwicklung des weiblichen Geschlechts zu erklären: „Wir brauchen eine Art Bedienungsanleitung für das weibliche Säugetier. Einen sachlichen, treffenden, ernsthaft erforschten (aber lesbaren) Bericht darüber, was wir sind. Wie sich weibliche Körper entwickelt haben, wie sie funktionieren, was es wirklich bedeutet, biologisch eine Frau zu sein. Etwas, das die Geschichte der Weiblichkeit neu schreiben würde. Dieses Buch ist diese Geschichte. Wir müssen den weiblichen Körper ins Bild rücken. Wenn wir das nicht tun, ist nicht nur der Feminismus beeinträchtigt. Moderne Medizin, Neurobiologie, Paläoanthropologie, sogar Evolutionsbiologie nehmen Schaden, wenn wir die Tatsache ignorieren, dass die Hälfte von uns Brüste hat. Also wird es Zeit, über Brüste zu sprechen. Brüste, und Blut, und Fett, und Vaginas, und Gebärmütter – alles. Wie sie entstanden sind und wie wir heute mit ihnen leben, ganz gleich, wie seltsam oder amüsant die Wahrheit ist.“

No other mammals on the planet have been observed regularly helping one another through birth. Or at least, none we know of. Two monkey species have been observed assisting in a birth, but each case seems incredibly rare. One was a black-and-white snub-nosed monkey in 2013, but it was hard to draw conclusions since it was a daytime birth and usually they occur at night. The second, involving a langur monkey, was recorded in 2014—and if it hadn’t been recorded, no one would have believed it. Chinese primatologists had observed this group of langurs for years and saw that the females generally gave birth alone. But not this time. On a rocky outcropping, an older female monkey hung around a younger mother who was clearly struggling in active labor. The newborn came out halfway. The older monkey quickly pulled the baby out of the mother’s vagina, held the kid for a minute, licked it, and then handed it to its mother. This may be the first clear evidence of active birth assistance in any mammal besides humans.”

Hab irre viel bei der Lektüre dieses Buches gelernt. Macht sich als Weihnachtsgeschenk wahrscheinlich richtig gut.

Arthur Conan Doyle – Eine Studie in Scharlachrot auf deutsch erschienen im Deutschen Bücherbund übersetzt von Gisbert Haefs

„Eine Studie in Scharlachrot“ ist der erste Roman von Sir Arthur Conan Doyles berühmter Sherlock-Holmes-Reihe. Die Geschichte beginnt damit, dass der Arzt Dr. John Watson einen Mitbewohner sucht und sich mit dem exzentrischen Detektiv Sherlock Holmes zusammentut. Die beiden werden in den Fall eines mysteriösen Mordes hineingezogen, bei dem ein Mann in einem verlassenen Haus in London tot aufgefunden wird. Das Opfer trägt einen scharlachroten Faden um das Handgelenk. Während Holmes mit seinen genialen deduktiven Fähigkeiten den Täter aufspürt, enthüllt die Erzählung auch die Hintergrundgeschichte des Mörders, die mit einem fanatischen religiösen Kult im amerikanischen Westen in Verbindung steht. „Eine Studie in Scharlachrot“ präsentiert die brillante Kombination von Holmes‘ Logik und Watsons Erzählkunst und markiert den Beginn einer faszinierenden Reihe von Kriminalgeschichten.

“To a great mind, nothing is little,‘ remarked Holmes, sententiously.”

Bin voll ins Sherlock Holmes Fieber geraten. Auch wenn ich die Romane und Erzählungen wahrscheinlich fast alle schon mal gelesen haben, macht es unfassbar viel Spaß die ganzen wunderschönen Bände jetzt noch einmal der Reihe nach zu lesen und dabei meine Book Nook zu bewundern, die ganz eindeutig das Arbeitszimmer von Sherlock darstellt.

Elizabeth Hand – A Haunting on the Hill erschienen bei Mulholland Books, bisher noch nicht auf deutsch übersetzt

Von der mehrfach ausgezeichneten Autorin Elizabeth Hand, kommt der allererste autorisierte Roman, der in die Welt von Shirley Jacksons „Spuk in Hill House“ zurückkehrt: eine spannende, zeitgenössische und beängstigende Geschichte von Sehnsucht und Isolation, die ganz für sich steht.

Holly Sherwin ist seit Jahren eine kämpfende Dramatikerin, aber jetzt, nachdem sie ein Stipendium erhalten hat, um ihr Stück „Die Hexe von Edmonton“ zu entwickeln, könnte sie endlich kurz vor ihrem großen Durchbruch stehen. Alles, was sie braucht, ist Zeit und Raum, um ihre Vision zum Leben zu erwecken. Als sie bei einem Wochenendausflug in den Norden auf Hill House stößt, ist sie sofort von dem opulenten, wenn auch verfallenden, gotischen Herrenhaus fasziniert, das fast versteckt außerhalb eines abgelegenen Dorfes liegt. Es ist riesig, alt und unheimlich – der perfekte Ort, um ihr Stück zu entwickeln und zu proben.

Trotz ihrer eigenen Bedenken stimmt Hollys Freundin Nisa zu, sich Holly anzuschließen und das Haus für einen Monat zu mieten, und bald darauf kommt eine Gruppe Schauspieler, jeder mit seinen eigenen Geistern, an. Doch während sie sich einrichten, werden die Eigenheiten des Hauses bekannt: Seltsame Kreaturen streifen über das Gelände, störende Geräusche hallen durch die Gänge, und die Zeit selbst scheint sich zu verschieben. Zu schnell finden sich Holly und ihre Freunde nicht nur untereinander, sondern auch mit dem Haus selbst im Konflikt. Es scheint, als ob etwas all die Jahre in Hill House gewartet hat und nicht mehr alleine gehen will…

“Some call me witch, and through their hatred they’ve taught me how to be one…”

War etwas skeptisch vorab, aber Elizabeth Hand ist wunderbar gruseliger, wohliger Horror gelungen für alle Fans von Shirley Jacksons Klassiker.

Matt Haig – Die Radleys erschienen im Rowohlt Verlag, übersetzt von Friederike Levin

Gestatten: die Radleys. Eine ganz normale Familie. Bishopthorpe, ein kleines Städtchen im Herzen Englands: Hier leben die Radleys. Vater Peter ist Arzt, Mutter Helen mit Leib und Seele Hausfrau und engagiertes Lesezirkel-Mitglied. Ihre Kinder Rowan und Clara besuchen das örtliche College. Eine Bilderbuchfamilie, geachtet bei Nachbarn und Freunden. Doch warum muss Rowan selbst im Winter Sonnenschutzfaktor 60 auflegen? Warum ist Clara Veganerin und hat dennoch nicht das Gefühl, sich gesund zu ernähren? Warum schmilzt der treue Ehemann Peter beim Anblick fremder weiblicher Nacken dahin? Warum verstummen alle Vögel, sobald ein Radley vor die Tür tritt? Und warum ist plötzlich alles voller Blut?

“That is what the taste of blood does. It takes away the gap between thought and action.To think is to do. There is no unlived life inside you as the air speeds past your body, as you look down at the dreary villages and market towns…”

Wem „richtige“ Vampir Romane zu düster oder blutig sind, für den bieten sich die Radleys als perfekte Einstiegslektüre an. Keine große Literatur aber ich habe den Roman gerne gelesen, Matt Haig ist einfach eine sichere Bank wenn man nach leichter gut geschriebener Literatur sucht.

Ernest Hemingway – Paris: Ein Fest fürs Leben erschienen im Rowohlt Verlag übersetzt von Werner Schmitz

Paris – ein Fest fürs Leben“ von Ernest Hemingway ist eine autobiografische Erzählung, die die Erfahrungen des Autors und seiner Frau Hadley während ihrer Zeit in Paris in den 1920er Jahren dokumentiert. Der Roman bietet einen Einblick in das künstlerische und kulturelle Leben der Stadt, insbesondere in den Kreisen der damaligen literarischen Größen wie Gertrude Stein, F. Scott Fitzgerald und Ezra Pound.

“We would be together and have our books and at night be warm in bed together with the windows open and the stars bright.”

Hemingway beschreibt die Atmosphäre von Paris als vital und inspirierend, und er teilt seine persönlichen Erlebnisse, darunter auch seine Beziehung zu seiner ersten Frau Hadley. Der Titel „Paris – ein Fest fürs Leben“ spiegelt die lebendige und leidenschaftliche Stimmung wider, die Hemingway mit der Stadt verbindet. Die Erzählung vermittelt nicht nur die Freuden und Herausforderungen des Schriftstellerlebens, sondern auch die Dynamik der zwischenmenschlichen Beziehungen in dieser künstlerisch aufgeladenen Umgebung. Hemingways prägnanter Schreibstil und seine Fähigkeit, lebendige Bilder zu malen, machen das Buch zu einem fesselnden Zeugnis seiner Zeit in Paris und seines persönlichen Wachstums als Schriftsteller.

Er kann wirklich gut schreiben der Herr Hemingway und es macht auch durchaus Spaß das Buch zu lesen insbesondere wenn man dann kurz drauf durch Paris stromert im Rahmen eines Reading Weekends, aber er ist echt eine ganz fürchterliche Lästerbacke. Jede und jeder der ihn mal unterstützt hat und dem er eigentlich vielleicht ein bisschen dankbar sein sollte bekommt sein Fett weg. Krass!

Paula McLain – Hemingway & Ich erschienen im Aufbau Verlag, übersetzt von Yasemin Dinçer


„Love & Ruin“ von Paula McLain ist ein historischer Roman, der sich auf das Leben von Martha Gellhorn konzentriert, einer amerikanischen Journalistin und Schriftstellerin, die auch die dritte Ehefrau von Ernest Hemingway war. Die Geschichte spielt in den 1930er und 1940er Jahren und führt die Leser durch Gellhorns faszinierendes Leben, ihre Arbeit als Kriegsberichterstatterin während des Spanischen Bürgerkriegs und des Zweiten Weltkriegs.

“Real writing, I was beginning to realize, was more like laying bricks than waiting for lightning to strike. It was painstaking. It was manual labor. And sometimes, sometimes if you kept putting the bricks down and let your hands just go on bleeding, and didn’t look up and didn’t stop for anything, the lightning came. Not when you prayed for it, but when you did your work.”

Der Roman erforscht ihre komplizierte Beziehung zu Hemingway, während beide versuchen, ihren Platz in der Welt des Journalismus und der Literatur zu finden. McLain beschreibt die Herausforderungen, denen Gellhorn als Frau und Kriegsreporterin gegenübersteht, sowie die intensiven Emotionen und Spannungen in ihrer Ehe mit Hemingway. „Love & Ruin“ bietet einen Einblick in die turbulenten politischen und persönlichen Zeiten, in denen Gellhorn lebte, und zeigt die Opfer und Hingabe einer Frau, die nach ihrer eigenen Identität strebte, während sie sich in einer von Männern dominierten Welt behauptete.

Habe schon den Band „The Paris Wife“ sehr gerne gelesen und auch dieser Roman um Martha Gellhorn ist klasse. Was für eine spannende Frau. Gegen sie sieht Hemingway stellenweise ganz schön blaß aus. Dieses Interview mit Martha Gellhorn fand ich unfassbar spannend:

Cathy Rentzenbrink – Dear Reader erschienen im Picardor Verlag, bislang nicht ins Deutsche übersetzt


Solange sie sich erinnern kann, hat sich Cathy Rentzenbrink in Geschichten verloren und wieder gefunden. Schon in ihrer Kindheit wurde sie selten ohne ein Buch gesehen und las heimlich noch lange, nachdem das Licht ausgeschaltet war. Als das Unglück zuschlug, hielten Bücher sie über Wasser. Schließlich wiesen sie ihr den Weg zu einem neuen Pfad, zuerst als Buchhändlerin und dann als Schriftstellerin. Egal, was die Zukunft bereithält, das Lesen wird immer helfen.

„Dear Reader“ ist eine bewegende, humorvolle und freudige Erkundung darüber, wie Bücher den Verlauf des Lebens verändern können, randvoll mit Empfehlungen von einer Leserin an eine andere.

Dies ist wirklich das ultimative Buch für Buchliebhaber. Cathy Rentzenbrink führt den Leser durch ein Labyrinth von Büchern von der Kindheit bis zur Mutterschaft und dem Verlust, wobei sie auf dem Weg einige ihrer liebsten und unvergesslichsten Geschichten empfiehlt. Es ist wirklich ein eigenartiges Buch zu kategorisieren – teilweise Memoiren, aber auch einfach ein Teil allgemeiner Plauderei über Bücher. Es fühlt sich an, als würde der Leser mit einer Freundin sprechen, die zufällig dieselbe Leidenschaft fürs Lesen teilt und viele Bücher liest.

“Don’t allow anything to dent your reading pleasure. Don’t let anyone tell you that what you like isn’t proper, that what brings comfort and ease to your soul isn’t good enough.”

Es ist wirklich spannend, wie transformativ Bücher wirklich sein können. In schweren Zeiten sind sie immer da – der stille Freund, der helfen kann, den Kopf frei zu bekommen und einen für eine Weile aus der realen Welt zu entführen. Sie können auch dazu beitragen, wie man die Welt sieht, die eigenen Horizonte erweitern und die Sicht auf das Leben verändern, direkt von Ihrem gemütlichen Lesesessel aus.

Hervé Le Tellier – Die Anomalie erschienen im Rowohlt Verlag, übersetzt von Romy & Jürgen Ritte

„Die Anomalie“ von Hervé Le Tellier ist ein Roman, der verschiedene Genres und Perspektiven geschickt miteinander verwebt. Die Geschichte beginnt mit dem mysteriösen Vorfall eines Flugzeugs, das während eines Transatlantikflugs für wenige Minuten in der Zeit verschwindet und dann sicher am Zielort landet. Der Roman beleuchtet die Auswirkungen dieses Ereignisses auf das Leben der Passagiere, die nach ihrer Rückkehr mit unerklärlichen Veränderungen und Konflikten konfrontiert sind.

“Es gibt ein Leben nach dem Tod, besonders nach dem der anderen.”

Der Plot entwickelt sich durch die Augen verschiedener Charaktere, darunter ein Schriftsteller, ein Bodyguard, eine Finanzmanagerin und andere, die alle an diesem ungewöhnlichen Ereignis beteiligt sind. Die Geschichte erkundet die Komplexität von Identität, Realität und den Auswirkungen von Entscheidungen. Mit Elementen von Science-Fiction, Thriller und Drama bietet „Die Anomalie“ eine fesselnde und tiefgründige Reflexion über das menschliche Dasein und die möglichen Verzweigungen, die durch eine solche Anomalie entstehen können.

Denke immer noch darüber nach was ich machen würde wenn ich auf einmal der Bingereaderin gegenüberstehen würde und über all die Implikationen. Eines meiner Bücher 2023 – große Empfehlung!

Das war der November meine Lieben! Und – war etwas dabei für euch? Welches kennt ihr, welches mochtet ihr oder vielleicht auch nicht? Freue mich wie immer sehr auf eure Rückmeldungen und verspreche auf jeden Fall mehr Sherlock Holmes in den kommenden Monaten.

Reading Weekend – Paris by the Book

Unser Bookclub hat sich im November in ein wirklich großartiges literarisches Abenteuer gestürzt: Wir wandelten auf den Spuren der „Lost Generation“ und hatten ein paar wunderbare Tage voller Literatur, Champagner und natürlich Paris!

Paris, die Stadt der Liebe und der Literatur, war der perfekte Schauplatz für unser jüngstes Reading Weekend mit dem Bookclub. Unsere Reise führte uns durch winzige Gassen, zu den historischen Bars und Wohnungen der Schriftsteller*innen der „Lost Generation“. In den Fußstapfen von Größen wie Ernest Hemingway, Gertrude Stein, F. Scott Fitzgerald, Man Ray, William Faulkner, Ezra Pound und James Joyce entdeckten wir die literarischen Wirkstätten, die diese Künstler in den 1920er Jahren inspirierten.

Ernest Hemingway: Ein Blick in sein Paris
Eine unserer erste Station war die Wohnung von Ernest Hemingway, einem der prägenden Köpfe der „Lost Generation“. Hemingway, bekannt für seinen minimalistischen Schreibstil, lebte in den 1920er Jahren in Paris. Seine Wohnung in der Rue du Cardinal Lemoine war Treffpunkt für viele Künstler seiner Zeit. Wir betraten die Räume, in denen Hemingway seine Geschichten schmiedete, und spürten die Energie vergangener kreativer Genies.

Ein Höhepunkt unseres Hemingway-Trips war der Besuch von Bars und Restaurants, die er frequentierte. Das „La Contrescarpe “ und das „Le Select“ waren nicht nur Orte in denen ordentlich gebechert wurde, sondern auch Schauplätze, an denen Ideen geboren wurden, die die Welt der Literatur veränderten.

Gertrude Stein: Im Zentrum der Kreativität
Unser Weg führte uns weiter zu Gertrude Steins Wohnung in der Rue de Fleurus. Die Salonière und Sammlerin von Kunst und Literatur war eine zentrale Figur im Pariser Kulturleben. Hier versammelten sich die Köpfe der „Lost Generation“ zu anregenden Diskussionen. Wären sehr gerne einmal in die Wohnung reingegangen um zu schauen, ob die Atmosphäre ihrer Wohnung noch immer spürbar ist, so dass etwas von ihrer Faszination für avantgardistische Kunst und ihre Spürnase für künftige Größen der Literatur auf uns abfärbt.

F. Scott Fitzgerald: Zwischen Glanz und Tragödie
Die Wohnung von F. Scott Fitzgerald in der Rue Vaugirard war ein weiterer Stop auf unserer Tour. Der Autor von „Der große Gatsby“ und seine Frau Zelda prägten die Pariser Bohème.

Man Ray, William Faulkner, Ezra Pound und James Joyce: Vielfalt der Einflüsse
Unsere Tour führte uns durch die Viertel Montparnasse und Saint-Germain-des-Prés, wo Künstler wie Man Ray, William Faulkner, Ezra Pound und James Joyce ihre Spuren hinterließen. Die Diversität der Einflüsse dieser Schriftsteller spiegelte sich in ihren Werken wider und prägte das kulturelle Erbe dieser Zeit.

Shakespeare und Company: Ein Buchladen mit Geschichte
Einen besonderen Stopp legten wir im Buchladen „Shakespeare und Company“ ein. Gegründet von Sylvia Beach in den 1920er Jahren, war der Laden ein Treffpunkt für viele Schriftsteller der „Lost Generation“. Beach veröffentlichte sogar James Joyces bahnbrechenden Roman „Ulysses“. Heute wird der Geist dieses einzigartigen Ortes von George Whitman in Ehren gehalten, der den Laden in den 1950er Jahren wiedereröffnete. Ein Ort, an dem Literatur lebendig wird und eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlägt. Und der einem wirklich wirklich zum Kaufen von Büchern verführt. Für mich ist besonders der Teil mit den antiquarischen Büchern gefährlich. Habe eine wunderschöne John Steinbeck Ausgabe gefunden!


Abseits der literarischen Entdeckungen haben wir natürlich auch Sightseeing betrieben. Der Eiffelturm darf nie fehlen – ich liebe ihn besonders bei Nacht wenn Madame Eiffel zur vollen Stunde glitzert und funkelt. Das Pantheon ist so beeindruckend und sowohl der Jardin du Luxembourg mit seinen grünen Alleen und der Palais du Luxembourg waren wunderbare Oasen der Ruhe inmitten der Stadt.

Die Geheimnisse unter den Straßen: Eine Reise in die Pariser Katakomben
Ein weiteres Highlight unseres Trips war der Abstecher in die faszinierende Welt der Pariser Katakomben. Unter den glanzvollen Boulevards und charmanten Gassen erstreckt sich ein unterirdisches Labyrinth, das mit Geschichte und Geheimnissen gefüllt ist. Die Katakomben, ursprünglich als Steinbrüche genutzt, wurden im 18. Jahrhundert zu einem beeindruckenden unterirdischen Friedhof umgestaltet.

Der Ort hat eine gespenstische, aber faszinierende Atmosphäre, die uns in die Tiefen der Pariser Vergangenheit entführte. Bin aber wirklich nicht sicher, ob ich da allein eine Nacht verbringen würde. Bissl gruselig war es schon.

Gutes Essen, Wein und Gespräche: Ein Genuss für die Sinne oder auch A moveable Feast
Das Lesen wurde ergänzt durch eine ganze Reihe kulinarischer Erlebnisse. In den Straßencafés probierten wir leckere französische Köstlichkeiten und genossen exzellenten Wein. Und jedes einzelne Restaurant in dem wir gegessen haben, war richtig gut und natürlich durfte auch ein kurzer Marktbesuch nicht fehlen, bei dem wir zumindest ein bißchen Käse für zu Hause eingekaufen konnten.

At home in Sèvres: Hemingway am Kamin und Bouef Bourgignon am Tisch
Unsere Unterkunft in Sèvres, zwischen Paris und Versailles gelegen, war ein perfekter Rückzugsort. Das Haus meiner Freundin – die uns wunderbar umhegte, bekochte und eine großartige Gastgeberin ist. – war der ideale Ort, um über Hemingways Roman „Paris – ein Fest für die Liebe“ zu sprechen. Der Kamin wurde zum Mittelpunkt unserer Gespräche, begleitet von einem köstlichen Bouef Bourgignon und Champagner, der einem das Gefühl gab Teil der „Lost Generation“ zu sein.


Für unser Reading Weekend lasen wir Hemingways „Paris – ein Fest für die Liebe“ das den Leser den Leser in die Welt der Bohème und der Künstler entführt. Die lebendige Beschreibung der Pariser Szene machte unsere eigenen Erfahrungen noch intensiver. Wir hatten für den regulären Bookclub schon Paula McLains „Hemingway und ich“ gelesen und hätte uns jemand zugehört, man hätte uns für ausgesprochene Hemingway-Expertinnen halten können. Wir haben ziemlich viel über ihn gehört und gelesen in letzter Zeit, heißt aber nicht, dass wir dem zugegebenermaßen großen Schriftsteller kritiklos gegenüberstehen. Eine faszinierende aber sehr schwierige Persönlichkeit, der immer wieder genau die Menschen in seinem Buch „Paris – Ein Fest für die Liebe“ aufs übelste beschimpft. Ob Gertrude Stein, F. Scott Fitzgerald oder der arme Ford Maddox Ford – jeder bekam sein Fett weg. Dennoch habe ich die kurzen Paris – Vignetten gerne gelesen und kann es als Begleitlektüre für ein Paris Wochenende auf jeden Fall empfehlen.

Ich hatte außerdem Andrea Weiss‘ „Paris war eine Frau“ dabei. Das Buch ist ist eine fesselnde Erkundung der weiblichen Pioniere der Pariser Bohème während der 1920er Jahre. Weiss wirft in diesem Sachbuch einen inspirierenden Blick auf Frauen wie Sylvia Beach, Gertrude Stein, Djuna Barnes und viele andere, deren kreative Beiträge oft im Schatten ihrer männlichen Zeitgenossen standen. Diese Frauen prägten nicht nur die literarische Szene, sondern auch die Kunst, Politik und den Feminismus ihrer Ära. Das Buch enthüllt ihre faszinierenden Lebensgeschichten, ihre Beziehungen zueinander und ihre Einflüsse auf die Entwicklung der Moderne. „Paris war eine Frau“ ist eine Hommage an die weibliche Schaffenskraft in einer Zeit des kulturellen Wandels und bietet einen neuen Blick auf die dynamische Welt der „Lost Generation“ in Paris.

Wir hatten ein wirklich unvergessliches Wochenende in Paris und ich freue mich schon auf unseren nächsten gemeinsamen Trip – jetzt hallt allerdings erst einmal Paris noch eine ganze Weile nach und mein völlig verrückter gar nicht vernünftiger Spontan-Kauf einer kleinen Tischlampe für die ich noch den perfekten Platz finden muß wird mich zumindest immer an dieses Reading Weekend erinnern.

Vielleicht plane ich die Reise irgendwann noch einmal mit einer Gruppe literaturbegeisterter Menschen – sagt Bescheid, falls ihr dann mitfahren möchtet 🙂

Oktober by the Book

Kein reiner Horroctober wie sonst, sondern eine Mischung aus etwas SciFi, Gothic Horror und eine Prise Manga, die aber durchaus auch ein paar schaurige Momente hatte. Das war ein sehr schöner Lesemonat – ich liebe den Oktober und er könnte für mich gerne immer doppelt so lange sein. Insbesondere durch unsere Landwoche die wir abends fast ausschließlich lesend im Bücherzimmer verbrachten kam diesen Monat einiges zusammen, die fürs „Gruppenfoto“ dann leider teilweise fehlten, weil ich sie dort vergessen hatte.

Aber jetzt reins ins Vergnügen, diesen Monat gehört oder gelesen in alphabetischer Reihenfolge:

Sunyi Dean – The Book Eaters erschienen im Harper Voyager Verlag (bislang nicht übersetzt):

Hätte ich die wunderbaren Kafka-Bände unserer Gastgeberin gegessen, ich wäre wohl selber mit Haut und Haar verschlungen worden. Also ganz gut, wenn man keine Bookeaters in seiner Wohnung hat:
In den Mooren von Yorkshire lebt eine geheime Gruppe von Menschen, für die Bücher Nahrung sind und die den gesamten Inhalt eines Buches behalten, nachdem sie es gegessen haben. Für sie sind Spionageromane ein gepfefferter Snack, Liebesromane sind süß und lecker. Der Verzehr einer Landkarte kann ihnen helfen, sich an Reiseziele zu erinnern, und Kinder, die sich daneben benehmen, werden gezwungen, trockene, muffige Seiten aus Wörterbüchern zu essen.

Am Rande Englands gibt es einen Geheimbund, eine Reihe übernatürlicher Wesen, die als Bücherfresser bekannt sind und Bücher wie Nahrung verzehren, wobei sie ihren gesamten Inhalt und ihr Wissen behalten. Bedroht durch ihre immer kleiner werdende Zahl, werden die Frauen der Bücherfresser zu einem Leben mit Eheverträgen und Kinderkriegen erzogen. Trotzdem ist Devon Fairweather, die einzige Tochter eines alten Clans, neugierig aufgewachsen, doch mit der Geburt und dem anschließenden Anfall ihrer erstgeborenen Tochter erkennt Devon die Wahrheit über ihre Lage. Als ihr zweiter Sohn als Gedankenfresser geboren wird, eine dunklere Untergruppe der Bücherfresser mit einem Hunger nach menschlichem Verstand, schwört Devon, nicht denselben Fehler zu machen, und flieht mit ihm. Doch die Freiheit ist nicht alles, und als Devon und ihr Sohn Cai versuchen, unter Menschen zu leben, ist sie gezwungen, schreckliche Dinge zu tun, damit sie überleben können. Gegen ihren Willen wird Devon immer tiefer in die inneren Abläufe ihrer Art hineingezogen, bis ihre Freiheit zu einem unsagbaren Opfer wird.

“´We can only live by the light we’re given, and some of us are given no light at all. What else can we do except learn to see in the dark?

„The Book Eaters“ ist ein außergewöhnlicher Dark-Fantasy-Roman, sehr viel düsterer als ich es erwartet hätte und mit einem spannenden Worldbuilding. Mir hat er so viel besser gefallen, als ich es erwartet hatte. Sunyi Dean entwirft eine zeitgenössische Gothic-Horror-Geschichte, in deren Mittelpunkt die Macht von Geschichten und das Ausbrechen aus restriktiver Erziehung und Umfeld stehen. Ein sehr passender Titel für ein Buch, das ich an nur zwei Abenden verschlungen habe.

Ruth Franklin – Shirley Jackson A Rather Haunted Life erschienen im Liveright Verlag (bislang nicht auf deutsch erschienen)


„Shirley Jackson: A Rather Haunted Life“ von Ruth Franklin ist eine fesselnde Biografie über das Leben und die Arbeit der berühmten amerikanischen Schriftstellerin Shirley Jackson. Das Buch folgt Jacksons Leben von ihrer Kindheit bis zu ihrem tragischen Tod nach und bietet einen tiefen Einblick in ihre komplexen Persönlichkeit und wie sie zu der Autorin wurde, die heute eine riesiger Kult-Anhängerschaft vorzuweisen hat.

Franklin bringt dem Leser nicht nur die faszinierende Welt von Shirley Jackson näher, sondern auch die gesellschaftlichen und kulturellen Einflüsse, die ihr Werk geprägt haben. Die Biografie zeigt, wie Jackson von klein auf mit Themen wie Isolation, sozialer Konformität und den dunklen Seiten des menschlichen Geistes geprägt wurde.

Die Autorin präsentiert Jackson als eine Frau, die gegen viele gesellschaftliche Erwartungen ankämpfte, um ihren Platz in der Welt der Literatur zu finden. Sie betont Jacksons Rolle als eine Pionierin des psychologischen Horrors und zeigt, wie ihre Geschichten eine bleibende Wirkung auf die Literaturwelt hatten.

If one is bewildered and unhappy, why not show it, and why will not people explain and comfort? But instead—this pretense at calm satisfaction, where underneath there is all the seething restless desire to be off, away from all this anger at self and others, to where there are other conventions, other thoughts, other passions

Insgesamt ist „Shirley Jackson: A Rather Haunted Life“ eine Biografie, die nicht nur das Leben einer außergewöhnlichen Schriftstellerin beleuchtet, sondern auch einen Einblick in die Entstehung des modernen Horror-Genres gibt. Franklin’s Buch ist sowohl für Fans von Shirley Jackson als auch für Literaturliebhaber, die sich für das Leben und die Arbeit von Schriftstellern interessieren, sehr empfehlenswert.

Tatsuki Fujimoto – Goodbye Eri erschienen im VIZ Media Verlag (bislang nicht auf deutsch erschienen)


Dieser Manga ist ein Geschenk der lieben Miss Booleana, die unermüdlich und um es gleich vorweg zu nehmen dieses Mal sehr erfolgreich versucht mir Mangas näher zu bringen. Mit dem Prinzip des „von rechts nach links lesen“ hab ich nach wie vor meine Schwierigkeiten, aber etwa bei der Hälfte hatte ich mich dann wirklich eingegroovt und keine Schwierigkeiten mehr. Die Geschichte fand ich richtig klasse:

Der junge Filmemacher Yuta denkt nach dem Tod seiner Mutter über Selbstmord nach, doch eine zufällige Begegnung mit einem mysteriösen Mädchen verändert sein Leben auf explosive Weise.

Fujimoto Tatsuki ist ein bekannter Manga-Autor und Zeichner aus Japan. Er ist besonders bekannt für seine Arbeit an „Chainsaw Man,“ einer äußerst beliebten Manga-Serie, die in der Weekly Shonen Jump-Zeitschrift des Verlags Shueisha veröffentlicht wurde. „Chainsaw Man“ erregte internationale Aufmerksamkeit und erlangte einen großen Fankreis aufgrund seiner ungewöhnlichen Handlung und des unkonventionellen Stils von Fujimoto Tatsuki.

Yuta, you have the power to decide for yourself how you’ll remember someone. That’s an incredible thing.
I think maybe Eri wants you to choose how she’ll be remembered”

Der Manga-Autor ist auch für seine unkonventionellen und manchmal düsteren Geschichten bekannt, die Genrekonventionen oft brechen und eine Mischung aus Horror, Action und schwarzer Komödie bieten.

Yutas Karriere als Filmemacher begann mit der Bitte seiner Mutter, ihre letzten Momente zu filmen. Nach ihrem Tod lernt Yuta ein mysteriöses Mädchen namens Eri kennen, das sein Leben in eine neue Richtung lenkt. Die beiden beginnen, gemeinsam einen Film zu drehen, doch Eri birgt ein brisantes Geheimnis.

Ich habe im Übrigen eine Freundin die ich immer Eri nenne und an die ich während der Lektüre ständig denken musste 😉 Auf jeden Fall habe ich Lust auf Chainsaw Man bekommen – habe definitiv Blut geleckt.

Cyril Liéron / Benoît Dahan – Im Kopf von Sherlock Holmes erschienen im Splitter Verlag, übersetzt von Harald Sachse


„Im Kopf von Sherlock Holmes“ ist eine faszinierende Graphic Novel, die die Welt des legendären Detektivs Sherlock Holmes in ein modernes und visuell beeindruckendes Format überträgt. Geschrieben von Cyril Lieron und illustriert von Benoît Dahan, bietet die Graphic Novel eine neue Perspektive auf die berühmten Abenteuer von Holmes und Watson.

Die Zeichnungen sind detailliert und einfallsreich, und sie fangen die viktorianische Atmosphäre perfekt ein. Die Geschichte selbst ist clever und gut durchdacht, und die Charaktere sind gut entwickelt. Es ist eine erfrischende Neuinterpretation von Sherlock Holmes, die sowohl Fans des ursprünglichen Materials als auch neue Leser ansprechen wird.


„In Kopf von Sherlock Holmes“ bietet eine visuell beeindruckende und kreative Herangehensweise an die Welt von Sherlock Holmes und ist eine Graphic Novel, die sowohl Fans des berühmten Detektivs als auch Graphic Novel-Liebhaber gleichermaßen genießen werden. Ein perfektes Weihnachtsgeschenk im Übrigen 😉

Ottessa Moshfegh – Lapvona erschienen im Hanser Verlag, übersetzt von Anke Caroline Burger


Es riecht nach Kot und Verwesung, nach Blut, Vieh und Schlamm – das ist Lapvona, der gottverlassenste Ort der Romanwelt. Hier ist niemand vom Glück begünstigt, am wenigsten Marek, der missgestaltete Sohn des Schafhirten. Doch sein Elend birgt auch eine große Kraft: baldige Nähe zu Gott durch Entsagung und Erniedrigung. Als er von Villiam, dem irren Landvogt, aufs Schloss berufen und als neuer Fürstensohn eingeführt wird, glaubt Marek sich zu Höherem erkoren. Denn noch ahnt er nicht, wie grausam nicht nur die Not, sondern auch die Sättigung den Menschen macht. In ihrem neuesten Meisterwerk entwirft Ottessa Moshfegh ein höllisches Panoptikum menschlicher Monstrosität und trifft in der grotesken Darstellung von Ungleichheit, Korruption und Tyrannei den Nerv unserer Zeit erschreckend genau.

When she asked the birds what to do, they answered that they didn’t know anything about love, that love was a distinctly human defect which God had created to counterbalance the power of human greed.

Bin ein großer Fan von Ottessa Moshfegh, aber mit diesem Roman hatte auch ich so meine Schwierigkeiten. Bin mit keiner der Figuren warm geworden, hab mich nicht wirklich für ihr Schicksal interessiert und war insgesamt einfach froh als ich damit durch war. Nicht schlecht, aber einfach nicht meins.

Laura Purcell – Bone China auf deutsch erschienen unter dem Titel „Das Porzellanhaus“ im Festa Verlag, übersetzt von Eva Brunner


„Bone China“ von Laura Purcell ist ein packender Gothic-Roman, der die Leser auf eine düstere und geheimnisvolle Reise ins viktorianische Cornwall mitnimmt. Die Geschichte folgt Hester Why, einer jungen Frau, die als Krankenschwester für den geheimnisvollen Haushalt des Meereskapitäns Celia Hardcastle angestellt wird. Das Anwesen, das von einer schrecklichen Tragödie gezeichnet ist, birgt dunkle Geheimnisse und unheimliche Geschehnisse.

Die Schwindsucht raubte Dr. Pinecroft mehrere Kinder und die Frau. Nur seine Tochter Louise ist ihm geblieben. Erfüllt von Trauer zieht er mit ihr in ein weitläufiges Anwesen am Meer, das einsam über den Klippen von Cornwall steht.

Aber Dr. Pinecroft hat Pläne: Überzeugt, dass eine Heilung möglich ist, lässt der Arzt einige an Schwindsucht leidende Gefangene in die Höhlen unter Morvoren House bringen. Was dort geschieht hat Folgen, die über die Jahrzehnte hinweg nachhallen.
40 Jahre später trifft Hester Why ein, um die inzwischen teilweise gelähmte und stumme Miss Louise zu pflegen. Doch in ihrem neuen Zuhause lauert das Unheil …

Anger has ever been a failing of mine. When it surges, it sings in my veins like a dram of gin. Any action seems possible, reasonable. It is only afterwards, when the fire fades, that I see the dark soot-stain of what I have done.”

Laura Purcell hat mit ihren Romanen eine ganz eigene Art von düsterer, geradezu beängstigender Lektüre geschaffen, die den Leser in einen Hauch von Horror und Unheimlichkeit hüllt. Ist Übernatürliches am Werk oder Wahnsinn? Die Charaktere sind tiefgründig und vielschichtig, und die Autorin spielt geschickt mit der Spannung und den Erwartungen der Leser. Dabei gelingt es ihr, die düstere Geschichte geschickt in die viktorianische Zeit und die geheimnisvolle Welt der Bone China zu integrieren.

„Bone China“ ist ein fesselnder Gothic-Roman, der Fans des Genres mit seiner düsteren Atmosphäre und den unheimlichen Elementen sicherlich begeistern wird. Laura Purcell beweist erneut ihr Talent für das Erschaffen von fesselnden und gruseligen Geschichten.

Gaudy Night – Dorothy L. Sayers auf deutsch erschienen unter dem Titel „Aufruhr in Oxford“ im Rowohlt Verlag, übersetzt von Otto Bayer


Gaudy Night ist ein 1935 in Großbritannien erschienener Kriminalroman von Dorothy L. Sayers. Die Autorin bricht mit etlichen Konventionen des Genres und erzählt hier nicht die Geschichte eines Mordes, sondern die Aufdeckung einer Serie gemeiner Streiche, die den Lehrkörper und die Studentinnen einer frühen britischen Frauenuniversität an den Rand der Verzweiflung treibt.

Aufruhr in Oxford ist der zehnte von insgesamt elf Romanen, in denen Sayers den Amateurdetektiv Lord Peter Wimsey auftreten lässt, und der dritte von fünf, in denen Harriet Vane erscheint, die Kriminalschriftstellerin, in die Wimsey – zunächst unglücklich – verliebt ist. Die Geschichte wird aus Vanes Perspektive erzählt. Die Romane bilden als Serie nicht nur eine Gesamthandlung, sondern zeigen auch, wie die beiden Hauptfiguren durch ihre Erfahrungen kontinuierlich an Tiefe und Komplexität gewinnen. Die Literaturwissenschaftlerin Sarah Crown hat darum empfohlen, die Wimsey-Romane streng in der Reihenfolge zu lesen.

Wherever you find a great man, you will find a great mother or a great wife standing behind him — or so they used to say. It would be interesting to know how many great women have had great fathers and husbands behind them.

Dorothy Sayers‘ „Aufruhr in Oxford“ ist ein intelligenter und gut geschriebener Kriminalroman, der die Leser in die Welt der Universität und in die Gedankenwelt von Lord Peter Wimsey entführt. Die Geschichte ist gespickt mit literarischen und kulturellen Referenzen und bietet ein fesselndes Rätsel, das bis zum Schluss spannend bleibt. Die Charaktere sind sorgfältig ausgearbeitet, und die Autorin verwebt geschickt soziale, akademische und kriminelle Elemente, um eine faszinierende Handlung zu kreieren.

Der Roman gilt als einer der bedeutendsten des „Goldenen Zeitalters“ der britischen Kriminalliteratur. Er war unser Oktober Lektüre im Bookclub und wir hatten einen spannenden Diskussionsabend. Man findet zahlreiche Parallelen zwischen Sayers und ihrer Protagonistin Harriet Vane. Der Roman ist wirklich gut, allerdings würde ich ihn nicht als „Einstiegsdroge“ für Dorothy Sayers empfehlen, da er ein wirklich sehr untypischer Kriminalroman ist. Sehr positiv überrascht war ich über die sehr progressiven feministischen Ansichten im Roman, die ganz klar zu Tage treten in dem der Roman ganz zentral der Frage nachgeht, ob Frauen ein Leben haben können, das sie sowohl intellektuell als auch emotional erfüllt oder ob es immer ein Entweder/Oder sein muss.

Children of Time – Adrian Tchaikovsky auf deutsch unter dem Titel „Kinder der Zeit“ erschienen im Heyne Verlag, übersetzt von Birgit Herden


„Kinder der Zeit“ von Adrian Tchaikovsky ist ein fesselnder Science-Fiction-Roman, der sich durch seine einzigartige und originelle Prämisse auszeichnet. Die Geschichte handelt von der Menschheit, die verzweifelt nach neuen Lebensräumen im Weltraum sucht. Dabei stoßen sie auf einen ungewöhnlichen Planeten, auf dem eine eigenartige Form von intelligentem Leben existiert, die sich von allem unterscheidet, was die Menschen je zuvor getroffen haben.

Der Roman erkundet auf faszinierende Weise die Interaktion zwischen Menschen und dieser alienartigen Lebensform, die sich in Form von riesigen, intelligenten Spinnen manifestiert. Tchaikovsky gelingt es, den Leser total in die Welt der Spinnen hinein zu ziehen und sich teilweise sogar mit ihnen zu identifizieren.

That is the problem with ignorance. You can never truly know the extent of what you are ignorant about.

Die Geschichte ist tiefgründig und erforscht Themen wie Evolution, Kommunikation, Koexistenz und die Konsequenzen unserer Handlungen für die Umwelt. „Kinder der Zeit“ ist nicht nur ein spannender Science-Fiction-Roman, sondern auch eine Reflexion über die Menschheit und ihre Beziehung zur Natur.

Ein abgefahrener Roman, der sowohl fesselnd als auch nachdenklich stimmt. Kann man auch gut lesen, wenn man Spinnen nicht umbedingt mag.

All Systems Red – Martha Wells auf deutsch unter dem Titel „Tagebuch eines Killerbots“ im Heyne Verlag erschienen, übersetzt von Frank Böhmert


Nach Tchaikovskys „Kinder der Zeit“ hatte ich noch nicht recht Lust das All zu verlassen und habe mir kurzerhand Wells‘ Novelle als Hörbuch runtergeladen.

„All Systems Red“ ist der erste Band der „Murderbot Diaries“ von Martha Wells und bietet eine fesselnde Mischung aus Science Fiction und Charakterstudie. Die Geschichte dreht sich um einen Androiden, der sich selbst „Murderbot“ nennt und sich gegen seine Programmierung zur Wehr setzt. Er entwickelt unerwartet menschliche Emotionen und einen ausgeprägten Sinn für Autonomie.

I could have become a mass murderer after I hacked my governor module, but then I realized I could access the combined feed of entertainment channels carried on the company satellites. It had been well over 35,000 hours or so since then, with still not much murdering, but probably, I don’t know, a little under 35,000 hours of movies, serials, books, plays, and music consumed. As a heartless killing machine, I was a terrible failure.

Der Roman zeichnet sich durch eine humorvolle, zynische Erzählstimme aus, die dem Murderbot eine einzigartige Persönlichkeit verleiht. Die Handlung konzentriert sich auf die Bemühungen des Murderbots, seine Vergangenheit aufzudecken und gleichzeitig seine eigenen Fähigkeiten und die Welt um sich herum zu erforschen. Dabei trifft er auf ein Team von Forschern, die in gefährliche Situationen geraten, und beschließt, ihnen zu helfen.

„All Systems Red“ ist ein kompaktes Buch, das eine fesselnde Geschichte erzählt und gleichzeitig Fragen zur Menschlichkeit und zur Definition von Freiheit aufwirft. Die Charakterentwicklung des Murderbots ist beeindruckend, und die Erzählung bietet genügend Action und Spannung, um den Leser von Anfang bis Ende zu fesseln. Es ist eine großartige Einführung in die „Murderbot Diaries“ und ein Muss für Fans von intelligenter Science Fiction.

Das war der Oktober für euch. Bin gespannt, ob diesen Monat irgendwas dabei war, auf dass ich euch neugierig machen konnte oder das ihr bereits kennt? Freue mich sehr auf Feedback!

Lektüre April

Der April war ein richtig guter Lesemonat. Das gruselige Wetter draußen hat für viel Lesezeit gesorgt, der freie Freitag ebenso. Ich habe gemerkt, wie gerne ich ein bißchen thematisch lese und habe mir durch Wald & Naturbücher versucht den Frühling eben literarisch ein bißchen ins Haus zu holen. War das schon eine Hirngymnastik oder nur ein thematischer Lesemonat? Wer weiß das schon und wen kümmert es. Lasst uns starten – ich stelle euch wieder kurz und knapp in alphabetischer Reihenfolge vor was ich diesen Monat gehört und gelesen habe:

Heimkehr – Wolfgang Büscher erschienen im Rowohlt Verlag

Wolfgang Büscher macht den Traum seiner Kindheit wahr. Er zieht in den Wald und erlebt dort Frühjahr, Sommer, Herbst. Ein Fürstenhaus an der hessisch-westfälischen Grenze, wo Büscher aufwuchs, überlässt ihm eine Jagdhütte – mitten im Wald, mitten in Deutschland. Hier schlägt er sein Feldbett auf. Kein Strom, kein fließend Wasser. Er richtet sich auf eine stille Zeit ein, auf Holzhacken und Feuermachen, eine Jagd ab und zu, eine Wanderung, ein Schützenfest, auf radikale Einsamkeit und eine Schwärze der Nächte, die in der Stadt unbekannt ist. Das Jahr wird ungeahnt dramatisch, Sturm, Hitze und Käferplage bringen den halben Wald um.

Das klang sehr vielversprechend, hat für mich aber so gar nicht gehalten was ich mir versprochen hatte. Da war eine Menge los im Wald und von Ruhe und Einsamkeit konnte keine Rede sein. Ich wollte wohl doch nichts von Schützenfesten und Jagdausflügen mit Fürsten lesen. Keine Empfehlung – ich fand es langweilig.

„Und wenn es so zugeht, wenn auf dem Wühltisch der Identitäten so einiges herumliegt und lockt, wenn gar nicht genau gesagt werden kann, wer einer ist – ist das dann alles, was über ihn gesagt werden kann?“

Die Fledermaus – Gunnar Decker erschienen im Berenberg Verlag

Eine Fledermaus im Schlaf­zimmer – nur stoische ­Naturen bleiben da unbeeindruckt. Nachdem sich bei Gunnar Decker der erste Schreck gelegt hatte, wurde er neugierig und wollte mehr über die unheimliche Herrin des Nachthimmels in Erfahrung bringen. Über ihre erstaunliche Fähigkeit, sich in stockdunklen Räumen zu orientieren, zu fliegen, obwohl sie keine Federn wie der Vogel, sondern Arme und Beine wie der Mensch hat. Über ihre zuneh­men­de Gefährdung und die Tatsache, dass die Fledermaus ein Wildtier ist, zu dem man – in beider­seitigem ­Interesse – den nötigen Abstand bewahren sollte. (Man holt sich schließlich auch keinen Wolf in die Wohnung.) Und über die zahllosen Legenden und Mythen. Denn natürlich gilt: Am Vampir kommt kein Fledermaus-Forscher vorbei.

Spannende Mischung aus Tierporträt, informativem Sachbuch und umfassender Kulturgeschichte – hat mir gut gefallen und ich habe noch so einiges über Fledermäuse erfahren, was ich nicht wußte. Finde sie weiterhin unendlich faszinierend, werde aber auch weiterhin respektvoll Abstand halten.

„Der Ruhepuls einer Fledermaus sinkt im Winterschlaf auf 3 bis 5 Herzschläge pro Minute, davon träumt jeder indische Yogi-Meister. Ihr normaler Puls im Wachzustand liegt bei 400 Schlägen pro Minute, im Jagdflug steigert er sich dann bis auf tausend Herzschläge pro Minute!“

The Geometer Lobachevsky – Aiden Duncan erschienen im Tuskar Rock Verlag

Nikolai Lobatschewski erkundet 1950 ein Moor in den irischen Midlands, wo er Landvermessungen vornimmt. Eines Nachmittags, kurz nach seiner Ankunft, erhält er ein Telegramm, das ihn zu einem „besonderen Termin“ nach Leningrad zurückruft.

Lobatschewski mag kein großes Genie sein, aber er erkennt ein Todesurteil, wenn er es sieht, und geht auf eine kleine Insel im Mündungsgebiet des Shannon, wo die Inselfamilien Seetang ernten und sich mit dem Spalten von Steinen abmühen. Hier muss Lobachevsky über den Tod nachdenken, darüber, wie er ihn vermeiden kann und ob er seine Heimat jemals wiedersehen wird.

Unsere April Bookclub Lektüre habe ich auf dem Kindle gelesen und es ist mir unfassbar schwer gefallen es zu Ende zu bringen. Ständig sind meine Gedanken abgeschweift, es war einfach wirklich wahnsinnig langweilig und ich möchte in diesem Leben nichts mehr über Landvermessung und Seetang lesen. Das letzte Kapitel wirkte als hätte er dringend noch den Bus bekommen müssen und hat dann im Laufen die letzten 10 Seiten geschrieben. War auch im Bookclub nicht wirklich der Renner, zwei mochten es sehr, die meisten empfahlen es als gut wirkendes Schlafmittel.

Zur See – Dörte Hansen erschienen im Penguin Verlag

Die Fähre braucht vom Festland eine Stunde auf die kleine Nordseeinsel, manchmal länger, je nach Wellengang. Hier lebt in einem der zwei Dörfer seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Nun hat ihr Ältester sein Kapitänspatent verloren, ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, nur immer an den Strand, wo er Treibgut sammelt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.

Das erste Drittel des Romans habe ich wirklich gerne gelesen, dann flachte mein Interesse ein kleines wenig ab. Hätte mir vielleicht etwas mehr stringente Handlung gewünscht, empfand es als etwas unzusammenhängende kurze Episoden. Altes Land gefiel mir etwas besser, aber Frau Hansen kann schreiben und selbst ein Buch das nicht vollends vom Hocker haut, ist immer noch ein sehr gutes.

“Alle Inseln ziehen Menschen an, die Wunden haben, Ausschläge auf Haut und Seele. Die nicht mehr richtig atmen können oder nicht mehr glauben, die verlassen wurden oder jemanden verlassen haben. Und die See soll es dann richten, und der Wind soll pusten, bis es nicht mehr wehtut.”

Quallen – Samuel Hamen erschienen im Matthes & Seitz Verlag

Von den direkten Gezeiten über die küstennahe Kontinentalschelfzone, von der Oberfläche des offenen Meeres bis hinab in dessen tiefste, kaum erforschte Bereiche bringen sie mit ihren ungeheuer reizbaren, »wie Hirnmasse in Häute verwandelten Leibern« nicht nur das Wasser zum Leuchten: Quallen. Seit Menschengedenken entziehen sich die Medusen jeglicher Festschreibung. Sie winden und wandeln sich wie organisiertes Wasser in den sie umströmenden Wellen und lassen die Imagination Funken sprühen. Doch gleich, ob als Störfaktor oder Symbol des Digitalen und Immersiven, als gestalterische Idee des Art Déco, als rückgratloses Schreckbild, Alien des Meeres, queeres Wappentier oder alarmistisches Emblem eines radikalen Wandels, bei dem selbst Wissenschaftler:innen mitunter an ihre Grenzen stoßen – Quallen, so zeigt Samuel Hamen in diesem schillernden Portrait, zucken nicht mit Wimpern, sondern mit Tentakeln, die je nach Art schon bei flüchtigem Kontakt starke Verbrennungen verursachen können. Wer es dennoch wagt, ihren Schwebebewegungen zu folgen, dem offenbart sich ein Einblick in die früheste Erdgeschichte wie auch in alle erdenkbaren Zukünfte.

Ich liebe Quallen und habe diesen Band wahnsinnig gerne gelesen. Wirklich spannend, gut geschrieben und sehr schön illustriert. Die Naturkunden Reihe ist eine kleine Schatztruhe an wunderschön gestalteten gut recherchierten Büchern – irgendwann möchte ich sie alle haben 🙂

„Die Blase von der die Rede ist, ist höchstwahrscheinlich der obere Teil der Physalia physalis, die gemeinhin Portugiesische Galeere genannt wird. Wem dieser Ausdruck noch nicht bellizistisch genug ist: Im Englischen trägt sie den Kosenamen Floating Terror. Von ihrem länglichen, halb durchsichtigen Körper, der an eine Boje erinnert und mit einer Gasmischung gefüllt ist, hängen angelschnurähnliche Tentakel herab, die üblicherweise eine Länge von acht bis zehn Metern erreichen und hochwirksame Gase absondern können.“

The Fifth Season – N. K. Jemisin unter dem Titel „Zerrissene Erde“ im Heyne Verlag erschienen übersetzt von Susanne Gerold

Inmitten einer sterbenden Welt hat die verzweifelte Essun nur ein Ziel: ihre Tochter aus den Händen eines Mörders zu befreien, den sie nur zu gut kennt.
Seit sich im Herzen des Landes Sansia ein gewaltiger Riss voll brodelnder Lava aufgetan hat, dessen Asche den Himmel verdüstert, scheinen immer mehr Menschen dem Wahnsinn zu verfallen. So lässt der Herrscher seine eigenen Bürger ermorden. Doch nicht Soldaten haben Essuns kleinen Sohn erschlagen und ihre Tochter entführt – sondern ihr eigener Ehemann! Essun folgt den beiden durch ein Land, das zur Todesfalle geworden ist. Und der Kampf ums nackte Überleben steht erst noch bevor.

Ich hatte es langsam bereits geahnt und das Buch hat er jetzt wohl final für mich bestätigt. Ich lese nicht so wahnsinnig gerne Space Operas. Das Buch ist wirklich gut geschrieben, es ist wahnsinnig intelligent und ich kann es Fans von Ursula LeGuin, Frank Herbert oder Octavia Butler nur ans Herz legen, aber ich freue mich auf eine Verfilmung, denn ich liebe SciFi und Space Opera – im Film, aber lese es einfach nicht so gerne. Daher werde ich die Trilogie auch nicht beenden und drücke mir und uns die Daumen, dass die Verfilmung nicht mehr allzu lange auf sich warten läßt.

“For all those that have to fight for the respect that everyone else is given without question.”

Wald – Doris Knecht erschienen im Rowohlt Verlag


Eine Frau allein in einem abgelegenen Haus in den Voralpen: Marian hat alles verloren. Die Krise und eigene Fehler trieben sie in den Bankrott, zum völligen Rückzug. Aber auch ihr Versuch, im geerbten Haus wieder zu sich zu finden, wird zum Überlebenskampf. Mühsam lernt Marian, sich zu versorgen, sie fischt, wildert, stiehlt Hühner, und dann ist da Franz …
Eine starke, gefallene Frau mit dem Willen zum Neuanfang, und das Landleben als Spiegel einer brüchigen bürgerlichen Welt – Doris Knecht erzählt mit unverwechselbarem Ton und auf mitreißende Weise davon, wie es ist, wenn man sein schönes Leben auf einen Schlag verliert.

Gelegentlich fremdel ich ja etwas mit deutscher Gegenwartsliteratur aber Frau Knecht ist genau wie Frau Hansen ganz mein Ding. Ein sehr intelligenter Roman der der Leser:in tief in die Seele schaut und den Finger in die Wunde unserer brüchigen bürgerlichen Welt hält mit ihren Unzulänglichkeiten und ihrer Doppelmoral. Große Empfehlung.

„Die Zeiten waren nicht normal, nicht ihre, und da es ihr nicht gelang, Sorgen und Furcht mit der Erinnerung an etwas Schönes zu kalmieren, vertrieb sie sie eben mit der Erinnerung an ein großes Scheitern.“

Der Klang der Wälder – Natsu Miyashita erschienen im Insel Verlag übersetzt von Sabine Mangold

Als der junge Tomura einem Klavierstimmer bei der Arbeit lauscht, fühlt er sich durch den Klang in die hohen, rauschenden Wälder seiner Kindheit zurückversetzt, und fortan prägt die Leidenschaft für die Musik sein Leben. Er lernt das Handwerk des Klavierstimmens, doch bei aller Hingabe ist da doch stets die Angst vor dem Scheitern auf der Suche nach dem perfekten Klang. Als er das Klavier der beiden Schwestern Kazune und Yuni stimmen soll, muss er erkennen, dass es dabei um mehr geht als um technische Versiertheit – und es »den einen« perfekten Klang nicht gibt. Und als er Kazune, die angehende Konzertpianistin, dann spielen hört, spürt er die Bestimmung seines Lebens: ihr Spiel zum Strahlen zu bringen.

Ein wunderschöner kleiner poetischer Roman, bei dem man sofort erkennt, dass es ein japanischer Roman ist, selbst wenn es keine Namen und Ortsbezeichnungen gebe. Leise und anmutig kommt es daher und ich habe ich sehr gerne gelesen.

„Mein Los war das Klavierstimmen, das mir den Duft der Wälder offenbart hatte. Ich konnte nicht mehr in die Berge zurück.“

The Shepherd’s Life – James Rebanks auf deutsch erschienen unter dem Titel „Mein Leben als Schäfer“ im Penguin Verlag übersetzt von Maria Andreas

James Rebanks‘ Familie lebt seit Generationen im englischen Hochland, dem Lake District. Die Lebensweise ist seit Jahrhunderten von den Jahreszeiten und Arbeitsabläufen bestimmt. Im Sommer werden die Schafe auf die kahlen Berge getrieben und das Heu geerntet; im Herbst folgen die Messen, wo die Herden aufgestockt werden, im Winter die Anstrengung, dass die Schafe am Leben bleiben, und die Erleichterung, die mit dem Frühling kommt, wenn die Lämmer geboren werden und die Tiere wieder in die Berge getrieben werden.

James Rebanks erzählt von einer archaischen Landschaft, von einer tiefen Verwurzelung an einen Ort. In eindrucksvoll klarer Prosa schildert er den Jahresablauf eines Hirten, bietet uns einen einzigartigen Einblick in das ländliche Leben. Er schreibt auch von den Menschen, die ihm nahestehen, Menschen mit großer Beharrlichkeit, obwohl sich die Welt um sie herum vollständig verändert hat.

Ich folge James Rebanks und seiner Frau seit geraumer Zeit auf Instagram und habe mich lange auf das Buch gefreut. Ich wurde nicht enttäuscht. Ich habe eine ganze Menge über den Lake District und das Leben der Menschen dort gelernt. Ein großartiges Buch, das ich rundum empfehlen kann.

„Frankly, every time I see a dog off a lead I am left fretting and fearing the worst until I see it back on the lead and packed into its owner’s car. So I suffer, even on the nine out of ten occasions when it all ends ok. Paranoid, maybe, but it is my job to fret about my sheep’s safety, and responsible visitors know that this fear exists and act accordingly. One person’s freedom is another man’s misery.“

Verwobenes Leben – Merlin Sheldrake erschienen im Ullstein Verlag übersetzt von Sebastian Vogel

Sie sind in der Erde, in der Luft, in unserem Körper. Pilze sind überall, aber man übersieht sie leicht. Sie halten uns am Leben, bauen Schadstoffe in der Atmosphäre ab und verändern das Verhalten von Tieren. Sie beeinflussen, wie wir Menschen fühlen und denken und sind für alle Lebensformen unverzichtbar. Sie existieren an der Grenze zwischen Leben und Tod. Der größte bekannte Pilz umfasst zehn Quadratkilometer, wiegt mehrere Hundert Tonnen und ist zwischen 2.000 und 8.000 Jahre alt. Pilze verfügen über eine eigene Intelligenz ohne zentrales Gehirn und können ihre Umwelt manipulieren. Merlin Sheldrake dringt ein in das verborgene Netzwerk der Pilze.

Ein wirklich erhellendes Buch das einen in die geheimnisvolle Welt er Pilze mitnimmt und mich stellenweise mit vor Staunen weit offenem Mund zurückgelassen hat. Man hat einfach keine Vorstellung, was es mit diesem Mycel auf sich hat, wozu Pilze so fähig sind und ich bin ziemlich sicher, wenn es nicht die Oktopoden sind, die die Weltherrschaft irgendwann übernehmen, dann werden es die Pilze sein. Unbedingt lesen!

„A mycelial network is a map of a fungus’s recent history and is a helpful reminder that all life-forms are in fact processes not things. The “you” of five years ago was made from different stuff than the “you” of today. Nature is an event that never stops. As William Bateson, who coined the word genetics, observed, “We commonly think of animals and plants as matter, but they are really systems through which matter is continually passing.”

„The Hobbit“ – JRR Tolkien erschienen unter dem Titel „Der kleine Hobbit“ im Klett Kotta Verlag übersetzt von Wolfgang Krege

Ohne große Ansprüche lebt Bilbo Beutlin im Auenland, bis er von dem Zauberer Gandalf und einer Horde Zwerge aus seiner Beschaulichkeit und seinem gemütlichen Alltag gerissen wird. Auf einmal findet er sich mitten in einem Abenteuer wieder, das ihn zu dem riesigen und gefährlichen Drachen Smaug führt, der einen kostbaren Schatz in seinen Besitz gebracht hat und eifersüchtig hütet. Der Hobbit ist der Anfang aller modernen Fantasy und erzählt die Vorgeschichte zum Herrn der Ringe.

Der Hobbit war diesen Monat mein Hörbuch, denn für mich bedeutet das Auenland irgendwie immerwährenden Frühling. Je ungemütlicher es draußen war, desto mehr bekam ich Lust trotz Regen mit dem Hörbuch auf den Ohren in meinem persönlichen Auenland den Isarauen herumzulaufen und mit Bilbo Beutlin große Abenteuer zu bestehen. Ich hatte es vor vielen Jahren immer Sonntags als Hörspiel im Radio gehört und war gespannt, ob es mir wohl genauso gut gefällt wie beim ersten Hören und Lesen und ich wurde nicht enttäuscht. Wo mir der „Herr der Ringe“ oft viel zu kampflastig ist und ich die vielen Szenen mit Schlachtgetümmel überblätterte ist der Hobbit eines meiner liebsten Fantasy Bücher. Wer den Regen nicht mehr sehen kann, sollte sich mit dem Hobbit ins Auenland begeben, da wo der ewige Frühling wohnt 😉

“There is nothing like looking, if you want to find something. You certainly usually find something, if you look, but it is not always quite the something you were after.”

Unter freiem Himmel – Markus Torgeby erschienen im Heyne Verlag übersetzt von Maximilian Stadler

Im Freien schlafen, umgeben von Bäumen, Dunkelheit und angenehmer Kälte. Dabei hoch zu den Sternen blicken und sehen, wie sich die Atemluft wie eine feine Wolke vor den Augen kräuselt. Vielleicht verpassen wir ja etwas, wenn wir immer nur in temperierten Räumen mit vier Wänden und einer Decke liegen. Markus Torgeby war ein erfolgreicher Langstreckenläufer, als er der Zivilisation den Rücken kehrte, in den Wald zog und fortan unter freiem Himmel schlief. Eine Erfahrung, die sein Leben und seinen Blick auf die Welt veränderte.

Mit dem Buch bin ich noch gar nicht fertig, aber ich wollte es hier schon mal hinein schmuggeln, denn es passt thematisch einfach so gut. Während ich mit meinen ganzen Waldbüchern beschäftigt war, habe ich dieses im öffentlichen Bücherschrank gefunden und da musste es natürlich mit. Ein wunderschön gestaltetes Buch und eine interessante Mischung aus Biografie und Ratgeber für alle die gerne mal unter freiem Himmel schlafen oder leben wollen. Mir reichen allerdings Wanderungen im Wald, das Bedürfnis da auch zu schlafen und gar noch auf nacktem Boden hält sich doch sehr in Grenzen. Insbesondere durch die Bilder ein wirklich schönes Buch.

„Im Jämtland, wo ich lebe, gibt es viele Nadelbäume und zwischendrin ein paar Birken. Ich gehe zuerst zu einer Birke und schäle ein paar Rindenfasern ab. Es fühlt sich ein bisschen so an, als würde man lose Haut abziehen. Wenn eine Tasche meiner Jacke voll ist, habe ich genug, um ein Feuer zu entfachen. Danach breche ich streichholzdünne Fichtenzweige ab, sie wachsen immer ganz unten und dicht am Stamm. Knackt es, wenn man sie abbricht, sind sie ausreichend trocken – es spielt keine Rolle, ob es aus Kübeln gießt, die Äste weiter oben schützen die dünnen Zweige darunter.“

Der Wald – Peter Wohlleben erschienen im Heyne Verlag

Peter Wohlleben, Förster aus Passion, zeigt den Wald, wie er ist und wie er sein könnte. Denn was wir irrtümlich für unberührte Natur halten, ist viel zu oft nur eine Ansammlung von Bäumen, die den Zwecken von Forstwirtschaft und Jagd zu dienen hat. Natürlich wachsende Bäume gedeihen in einer Lebensgemeinschaft, die alles umfasst, von den Geheimnissen des Waldbodens bis zu den höchsten Wipfeln. Peter Wohlleben lässt uns den Zauber der Natur wiederentdecken und vermittelt ein tiefes Verständnis vom Leben und Zusammenleben der Bäume.

Mein zweites Buch des Autors und wieder ein Fund aus dem Bücherschrank. Peter Wohlleben ist was den Wald angeht für mich das was Jamie Oliver seinerzeit fürs Kochen für mich war. Ich lerne viel, gehe mit offenen Augen durch den Wald bzw meine Isarauen und beschäftige mich deutlich intensiver mit den Bäumen um mich herum. Dieses Buch war deutlich biografischer als „Das geheime Leben der Bücher“ und ich fand es sehr spannend, was er über seine Ausbildung zum Förster schreibt, wie sich er Berufsstand in den letzten Jahren verändert hat und wie wichtig die Jagd für einen gesunden Wald ist.

„Die Chance, es so weit zu schaffen, beträgt für jeden Buchenembryo, der in einer Buchecker im Herbst zu Boden fällt, durchschnittlich 1:1,7 Millionen. Hungrige Tiere, die strenge Erziehung oder Unglücksfälle dezimieren die Baumjugend so stark, dass in 400 Jahren nur ein Baum ein komplettes Leben durchläuft. Aber das reicht zur Arterhaltung völlig aus.

Habt ihr es wirklich bis hier unten durchgehalten – dann Respekt. Das war ein wirklich umfangreicher Monat und ich bin gespannt, was ihr sagt. Konnte ich euch auf das eine oder andere Buch Lust machen? Habt ihr bei dem einen oder anderen eine änliche oder ganz andere Meinung? Freue mich immer von euch zu hören und jetzt Jacke an, Schuhe an und ab in den Wald…

Lektüre November 2022

Ein spannender atmosphärischer Lesemonat liegt hinter mir. Keine wirklichen Ausfälle dabei, eine gute Mischung aus Sachbuch bei dem ich immens viel gelernt habe, ein paar zur November Stimmung passende Romane, ein wunderbares Wiederlesen und eine Bookclub-Lektüre die uns in die Sumpf- und Marschgebiete North Carolinas mitnahmen.

Hier wieder in alphabetischer Reihenfolge ein kurzer Einblick in die Bücher, in der Hoffnung euch auf das eine oder andere Lust machen zu können.

Auf See – Theresa Enzensberger erschienen im Hanser Verlag, gehört als Audible Hörbuch

Yada wächst als Bürgerin einer schwimmenden Stadt in der Ostsee auf. Ihr Vater, ein libertärer Tech-Unternehmer, hat die Seestatt als Rettung vor dem Chaos entworfen, in dem die übrige Welt versinkt. In den Jahren seit ihrer Gründung ist der Glanz vergangen, Algen und Moos überwuchern die einst spiegelnden Flächen. Yadas Vater fürchtet, sie könne das Schicksal ihrer Mutter ereilen, die vor ihrem Tod an einer rätselhaften Krankheit litt. Und Yada macht eines Tages eine Entdeckung, die alles ins Wanken bringt. Klug, packend und visionär erzählt Theresia Enzensbergers großer Roman von den utopischen Versprechen neuer Gemeinschaften und dem Glück im Angesicht des Untergangs.

Ich fand die Geschichte und vor allen Dingen die Ideen spannend, visionär und definitiv zum Nachdenken und Recherchieren anregend. Nur als Hörbuch fand ich es aufgrund der Sprecherin nicht ganz so gelungen, hätte es glaube ich lieber gelesen als gehört. Vielleicht besorge ich es mir noch mal als Buch. Das wird nicht das letzte Buch von Frau Enzensberger sein, mir gefällt ihr Stil und ihre Art zu denken sehr.

Das Ende des Kapitalismus – Ulrike Herrmann erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieses Buch ist mein absolutes November Highlight. Eines von den Büchern bei denen ich nicht mehr aufhören kann davon zu erzählen und ich zur Buch-Missionarin werde und jedem fast mit Einzelhaft und Liebesentzug drohe, wenn die Menschen mir nicht auf der Stelle versprechen es umgehend zu lesen und danach mit mir darüber zu diskutieren.

Das es ein Rezensionsexemplar ist und auch noch von der Autorin für mich signiert wurde auf der Buchmesse hat damit wirklich nichts zu tun. Es hat mich einfach massiv zum Nachdenken gebracht, ich habe tonnenweise interessante Dinge gelernt und dazu geführt, dass ich jetzt nicht mehr sofort und automatisch den Wirtschaftsteil der Zeitung in die Papiertonne werfe.

Die Klimakrise verschärft sich täglich, aber konkret ändert sich fast nichts. Die Treibhausgase nehmen ungebremst und dramatisch zu. Dieses Scheitern ist kein Zufall, denn die Klimakrise zielt ins Herz des Kapitalismus. Wohlstand und Wachstum sind nur möglich, wenn man Technik einsetzt und Energie nutzt. Leider wird die Ökoenergie aus Sonne und Wind aber niemals reichen, um weltweites Wachstum zu befeuern. Die Industrieländer müssen sich also vom Kapitalismus verabschieden und eine Kreislaufwirtschaft anstreben, in der nur noch verbraucht wird, was sich recyceln lässt.

Aber wie soll man sich dieses grüne Schrumpfen vorstellen. Das beste Modell ist ausgerechnet die britische Kriegswirtschaft ab 1940.

„Damals zeigte sich erstmals ein Paradox, das den Kapitalismus bis heute prägt: Nur wenn das Risiko weitgehend ausgeschlossen ist, werden Investitionen gewagt.“

Our Missing Hearts – Celeste Ng auf deutsch erschienen unter dem Titel „Unsere verschwundenen Herzen“ erschienen im dtv Verlag übersetzt von Brigitte Jakobeit

Ich hatte den Roman schon auf dem Radar, nachdem wir vor einiger Zeit „Everything I never told you“ im Bookclub gelesen hatte und ihr neuer Roman auch noch unter „Dystopie“ firmierte. Frau Ngs Lesung im Amerikahaus in München wertete ich dann als finales Zeichen, dass ich diesen Roman unbedingt dringend lesen möchte.

Celeste Ng ist eine überaus kluge, interessante Frau der ich problemlos noch Stunden hätte zuhören können. Our Missing Hearts ist perfekte Winterlektüre. Dystopisch und düster, aber mit viel viel Hoffnung versehen und davon können wir alle momentan glaube ich eine doppelte Portion gebrauchen.

Der zwölfjährige Bird lebt mit seinem Vater in Harvard. Seit einem Jahrzehnt wird ihr Leben von Gesetzen bestimmt, die nach Jahren der wirtschaftlichen Instabilität und Gewalt die »amerikanische Kultur« bewahren sollen. Vor allem asiatisch aussehende Menschen werden diskriminiert, ihre Kinder zur Adoption freigegeben. Als Bird einen Brief von seiner Mutter erhält, macht er sich auf die Suche. Er muss verstehen, warum sie ihn verlassen hat. Seine Reise führt ihn zu den Geschichten seiner Kindheit, in Büchereien, die der Hort des Widerstands sind, und zu seiner Mutter. Die Hoffnung auf ein besseres Leben scheint möglich. Eine genauso spannende wie berührende Geschichte über die Liebe in einer von Angst zerfressenen Welt.

Librarians, of all people, understood the value of knowing, even if that information could not yet be used.

Where the Crawdads sing – Delia Owens auf deutsch erschienen unter dem Titel „Gesang der Flusskrebse“ im Hanser Verlag, übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann

Unser November Bookclub Buch hat mir um Einiges besser gefallen als ich dachte. Aus irgendeinem Grund befürchtete ich eine furchtbar schmalzige Schmonzette, aber die Naturbeschreibungen und die Protagonistin Kya haben mir auf jeden Fall ein spannendes Lesevergnügen beschert. Die Diskussion im Bookclub drehte sich natürlich auch stark um Delia Owens Rolle zu ihrer Zeit in Afrika, die Kontroversen die es um ihre Person und die ihres Ex-Mannes gibt. Es war eine intensive und sehr spannende Diskussion. Habe auch den Film gesehen und gemocht – großartige Naturaufnahmen, eine Ecke der Welt die ich unbedingt irgendwann mal sehen möchte.

Chase Andrews stirbt, und die Bewohner der ruhigen Küstenstadt Barkley Cove sind sich einig: Schuld ist das Marschmädchen. Kya Clark lebt isoliert im Marschland mit seinen Salzwiesen und Sandbänken. Sie kennt jeden Stein und Seevogel, jede Muschel und Pflanze. Als zwei junge Männer auf die wilde Schöne aufmerksam werden, öffnet Kya sich einem neuen Leben – mit dramatischen Folgen. Delia Owens erzählt intensiv und atmosphärisch davon, dass wir für immer die Kinder bleiben, die wir einmal waren. Und den Geheimnissen und der Gewalt der Natur nichts entgegensetzen können.

Das ist übrigens ein Buch, das ich wahrscheinlich besser in der deutschen Übersetzung gelesen hätte. Der lokale Dialekt der im Buch wiedergegeben wird, hat mich stellenweise an meine Grenzen gebracht. Solide Unterhaltung, kann man sicherlich gut zu Weihnachten verschenken, auch wenn gefühlt alle Menschen die gerne lesen das Buch wahrscheinlich bereits besitzen.

Autumn leaves don’t fall, they fly. They take their time and wander on this their only chance to soar.

Harry Potter and the Philosopher’s Stone / Harry Potter and the Chamber of Secrets / Harry Potter and the Prisoner of Azkaban – JK Rowling auf deutsch erschienen im Carlsen Verlag übersetzt von Peter Needham.

Zu Harry Potter muss ich wahrscheinlich nicht viel schreiben. Hatte schon eine Weile Lust mal wieder einzutauschen in die magische Welt der Zauberschüler*innen rund um Hogwarts, hatte aber irgendwie auch Schiss, ob es mir beim Wiederlesen noch gefallen würde. Man kann sich ja auch wirklich was kaputt machen, wenn die Magie beim Wiederlesen nicht überspringen will. Brauchte aber keine Sorge zu haben. Bin noch genauso ein Potterhead wie in den 90ern – möchte immer noch nach Hogwarts, trage stolz mein Ravenclaw Shirt und nach jedem Buch schaue ich mir direkt den Film dazu an, denn ich habe vor ein paar Jahren die Harry Potter Filmbox gewonnen und bin Besitzerin sämtlicher Filme in einer sehr sehr hübschen Box.

OK – genug angegeben. Frau Rowling und ihre anstrengende Transphobie nervt, aber davon lass ich mir meinen Harry Potter nicht kaputt machen und die Darsteller*innen sehen es ja zum Glück genau so.

Im Dezember geht es weiter mit den restlichen Bänden und danach möchte ich entweder noch mal nach Osaka wo wir vor ein paar Jahren im Universal Picture Park die Wizarding World of Harry Potter besucht haben oder vielleicht nach London in die Warner Brothers Filmstudios? Wofür ich mich auch immer entscheide, es braucht jede Menge Überzeugungsarbeit, denn die Bingereader-Gattin kann mit Harry Potter leider gar nix anfangen 😉

The Lamplighters – Emma Stonex auf deutsch erschienen unter dem Titel „Die Leuchtturmwärter“ im Fischer Verlag übersetzt von Eva Kemper

Durch das Dezember Bookclub Buch bin ich nur so durchgerauscht und habe die Lektüre sehr sehr genossen. Passt einfach perfekt zu nebelig-düsteren Winterwochenenden. Ein Pageturner im wahrsten Sinne des Wortes, konnte es gar nicht aus der Hand legen. Die Geschichte um das Verschwinden der drei Leuchtturmwärter beruht auf eine wahren Geschichte, was die Recherche rund ums Buch noch mal spannender macht.

In der Silvesternacht verschwinden vor der Küste Cornwalls drei Männer spurlos von einem Leuchtturm. Die Tür ist von innen verschlossen. Der zum Abendessen gedeckte Tisch unberührt. Die Uhren sind stehen geblieben. Zurück bleiben drei Frauen, die auch zwei Jahrzehnte später von dem rätselhaften Geschehen verfolgt werden. Die Tragödie hätte Helen, Jenny und Michelle zusammenbringen sollen, hat sie aber auseinandergerissen. Als sie zum ersten Mal ihre Seite der Geschichte erzählen, kommt ein Leben voller Entbehrungen zutage – des monatelangen Getrenntseins, des Sehnens und Hoffens. Und je tiefer sie hinabtauchen, desto dichter wird das Geflecht aus Geheimnissen und Lügen, Realität und Einbildung.

In all my years I’ve realized there are two kinds of people. The ones who hear a creak in a dark, lonely house, and shut the windows because it must have been the wind. And the ones who hear a creak in a dark, lonely house, light a candle, and go to take a look.

Es hört nie auf, dass man etwas sagen muss – Antje Rávic Strubel erschienen im Fischer Verlag.

Antje Rávic Strubel ist auch so eine Autorin an deren Bücher ich einfach nicht vorgehen kann, wenn sie etwas neues geschrieben hat. Und dieses Buch hier ist ja wohl zusätzlich auch noch ein phänomenaler Hingucker. Ein kleiner Essay-Band voller kluger Gedanken zu Virginia Woolf, Astrid Lindgren, Selma Lagerlöf, Gendergewändern, Theodor Fontane und Elche kommen auch vor. Ein elegantes Büchlein bei man das Gefühl hat mit jeder Zeile ein kleines wenig klüger zu werden.

Pointiert nimmt Antje Rávik Strubel die aktuelle gesellschaftliche Lage unter die Lupe. Mit engagierter und zugleich poetischer Stimme widerspricht sie dem Gezerre und Gezeter. Sie plädiert für einen spielerischen, abenteuerlichen, wagemutigen Umgang mit Sprache, für ein emphatisches und aufmerksames Miteinander und eine Vielfalt der Lebens- und Liebesweisen. Sie erzählt von Virginia Woolf und Selma Lagerlöf, von dem Griff nach den Sternen und dem Aufbruch ins Unbekannte. Diese kritischen, literarischen und persönlichen Reden und Essays spannen den Bogen vom Ende des 19. Jahrhunderts zum Beginn des 21. Jahrhunderts und blättern mit dem nötigen feministischen Hintersinn andere Seiten der gesellschaftlichen Landkarte auf.

Die unfassbar schöne Covergestaltung haben wir im Übrigen Judith Schalansky zu verdanken.

Ankleben verboten!
1. Halte dich nicht zurück.
2. Widersprich dir.
3. Widersteh der Versuchung, Bedeutsames zu sagen.
4. Vernachlässige dich selbst.
5. Betrachte die Wirklichkeit aus der Schräglage
6. Deine Sitze sind die Wirklichkeit, trau ihnen nicht.
7. Verschleier dein Anliegen.
8. Lösch deine Spuren.
9. Benutze deine Zweifel, um Sätze zu bilden.
10. Sei viele. Sei jung und alt, weiblich und männlich, hell und dunkel zugleich.
11. Mach dich unabhängig von Lob.
12. Kehr um und entwirf deine eigenen Regeln.
13. Ertränke deine Leser und deine Vögel im Licht.

The Bass Rock – Evie Wyld auf deutsch erschienen unter dem Titel „Die Frauen“ im Rowohlt Verlag übersetzt von Tanja Handels.

Noch ein unfassbar gutes, spannendes und atmosphärisches Buch bei dem ich mir nicht mehr sicher bin, wie ich auf diesen Titel gekommen bin. Habe es als Hörbuch gehört und habe den schottischen Akzent der Sprecherin sehr geliebt. Die Geschichte ist düster und sicherlich kein Wohlfühl Schauerroman, aber ein spannend konstruierter Roman, der einem noch lange nachgeht.

Der Bass Rock wirft seit Jahrhunderten einen Schatten auf North Berwick und seine Bewohner. Neu unter ihnen: Ruth Hamilton, die in den Jahren nach dem Krieg mit ihrem Mann und zwei Stiefsöhnen in ein zugiges Haus am Meer zieht. Ruth ist zum ersten Mal schwanger und zusehends allein: die Kinder im Internat, der Mann über Wochen in seiner Londoner Kanzlei. Als Großstädterin hadert sie mit der Abgeschiedenheit und auch mit den sonderbaren Gebräuchen der einheimischen Gesellschaft. Ein Strandpicknick mitten im Winter? Die Frauen eigenartig kostümiert? Ruth passt sich an, ein wenig. Bis sie begreift: Das hier passiert nicht nur ihr. Es ist ein altes Spiel. Sie soll es nicht gewinnen.

Ein halbes Jahrhundert später, das Anwesen am Bass Rock steht zum Verkauf, kommt wieder eine Frau in den Norden. Viv hadert mit ihrem Single-Dasein, aber auch mit den Gelegenheiten, es zu beenden. Außerdem schläft sie schlecht, in jedem der Betten in dem alten Haus. Ihr ist, als würde sie heimgesucht von dunklen Geschichten. Geschichten von aufsässigen Frauen, von Frauen in Bedrängnis. Und ihre Stiefgroßmutter Ruth ist nur eine davon.

My mother has found being alone a new beginning. Her house is tidy. She eats what she wants, when she wants: nothing for a day and then a dressed crab at eleven at night, or a bowl of frozen peas, uncooked, which she eats like peanuts for breakfast. I admire the singleness that she has embraced since Dad died. I think I could aspire to that, but without having to be widowed first. Sometimes, though, it would be nice to fuck and to be fucked.”

War echt eine Menge los im November – war irgendwas dabei, wofür ich euch begeistern konnte? Habt ihr schon etwas davon gelesen? Habt ihr Meinungen zu den vorgestellten Büchern? Freue mich sehr von euch zu hören.

Happy Reading!

Lektüre Juni 2022

Der Lesemonat Juni war insbesonders von unserer Reise nach New York geprägt, nicht nur was die entsprechende New York Lektüre betrifft, sondern auch die damit verbundene gestiegene Lesezeit, die dem Flug und dem Jetlag geschuldet war. Ich habe mich darüberhinaus intensiv mit Mary Shelley und Mary Wollstonecraft beschäftigt, mich bei einem CliFi Roman mit unserer Zukunft beschäftigt und durch einen danach folgenden Zeitreise Thriller ein bisschen dem Escapismus hingeben können. Ein guter Lesemonat, einzig Anne Tyler unsere Bookclub Lektüre des Monats konnte mich nicht ganz so in ihren Bann ziehen.

Aber jetzt zum Einblick in die Bücher die ich letzten Monat gelesen haben und welche davon wem ans Herz legen möchte:

Doris Dörrie – Die Heldin reist erschienen im Diogenes Verlag

Döris Dörrie erzählt in ihrem autofiktionalen Buch von drei Reisen – nach San Francisco, nach Japan und nach Marokko – und davon, als Frau in der Welt unterwegs zu sein. In Anlehnung an Joseph Campbells berühmtem „Der Heros in tausend Gestalten“ beschäftigt sie sich mit der Heldin die in die Welt hinaus muss und Abenteuer erleben um eben eine Heldin zu werden.

Dörries Bücher sind immer wie eine wunderbare elegante Sommerbrise, ich lese sie so so gerne, komischerweise kommt sie mir nie in den Sinn, wenn ich von meinen Lieblingsautorinnen spreche. Vielleicht weil ihre Bücher meist schmal sind, sich nicht zu ernst nehmen und nicht schwergewichtig daherkommen und das macht eigentlich einen großen Teil ihres Zaubers aus.

Der Held muss also aus dem Haus, um ein Held zu werden. Und die Heldin? Sie ist gar keine Heldin, sondern die Frau des Helden, sie bleibt, wo sie ist, und beschützt das Haus. Sie ist die Hausfrau, die Frau im Haus. Sie auch deshalb dableiben, damit jemand zu Hause ist, wenn der siegreiche Held zurückkehrt. Sie darf nicht ausziehen, um das Fürchten zu lernen, aber das muss sie auch gar nicht, denn sie hat ja sowieso permanent Angst. Sie macht sich ständig Sorgen, am meisten um den Helden. Der Held wiederum macht sich keine um sie, denn er kann sich darauf verlassen, dass sie geduldig auf seine Rückkehr wartet und in seiner Abwesenheit kratzige Pullover webt.

Passende Lektüre für alle die Lust haben sich Herz und Horizont erweitern zu lassen.

Teju Cole – Open City, übersetzt von Christine Richter-Nilsson im Suhrkamp Verlag

Julius, ein junger Psychiater, durchstreift die Straßen Manhattans, allein und ohne Ziel, stundenlang. Die Bewegung ist ein Ausgleich zur Arbeit, sie strukturiert seine Abende, seine Gedanken. Er lässt sich treiben, und während seine Schritte ihn tragen, denkt er an seine kürzlich zerbrochene Liebesbeziehung, seine Kindheit, seine Isolation in dieser Metropole voller Menschen. Fast unmerklich verzaubert sein Blick die Umgebung, die Stadt blättert sich vor ihm auf, offenbart die Spuren der Menschen, die früher hier lebten. Mit jeder Begegnung, jeder neuen Entdeckung gerät Julius tiefer hinein in die verborgene Gegenwart New Yorks – und schließlich in seine eigene, ihm fremd gewordene Vergangenheit.

Anfänglich erlebte ich die Straßen als eine unaufhörliche Geräuschkulisse, ein Schock nach der Konzentration und relativen Ruhe des Tages, so als zerrisse jemand die Stille einer abgeschiedenen Kapelle mit einem dröhnenden Fernseher

Passende Lektüre, insbesondere in dem kleinen Suhrkamp Format, um es in die Tasche zu stecken, während man durch New Yorks Straßen läuft und es morgens um 5 bei schwarzem Kaffee in einem Diner zu lesen.

Bill Hayes – Insomniac City erschienen im Bloomsbury Verlag

Bill Hayes kam 2009 mit einem One-Way-Ticket nach New York City und hatte nur eine vage Vorstellung davon, wie er zurechtkommen würde. Aber mit 48, nach Jahrzehnten in San Francisco und dem Tod seines Partners, brauchte er einfach Veränderung und fand Trost im unaufhörlichen Rhythmus der Stadt, dem Anblick des Empire State Buildings im Nachthimmel und die New Yorker die der an Insomnia leidende Hayes bei seinen nächtlichen Spaziergängen traf.

Und ganz unverhofft verliebt er sich wieder. In seinen Freund und Nachbarn, den Schriftsteller und Neurologen Oliver Sacks. Hayes zeichnet ein liebevolles Porträt Oliver Sacks‘ und zeigt ihn von seiner persönlichsten und liebenswertesten Seite. Er beschreibt wie sich Sacks im Alter von fünfundsiebzig Jahren zum ersten Mal im Leben verliebt, über die glücklichen gemeinsamen Jahre bis zur Auseinandersetzung mit Oliver Sacks Krankheit und seinem Tod im August 2015.

I suppose it’s a cliché to say you’re glad to be alive, that life is short, but to say you’re glad to be not dead requires a specific intimacy with loss that comes only with age or deep experience. One has to know not simply what dying is like, but to know death itself, in all its absoluteness. After all, there are many ways to die—peacefully, violently, suddenly, slowly, happily, unhappily, too soon. But to be dead—one either is or isn’t. The same cannot be said of aliveness, of which there are countless degrees. One can be alive but half-asleep or half-noticing as the years fly, no matter how fully oxygenated the blood and brain or how steadily the heart beats. Fortunately, this is a reversible condition. One can learn to be alert to the extraordinary and press pause—to memorize moments of the everyday.

Für alle Insomniacs die Spaß an skurillen Begegnungen haben die sich gerne von einer berührenden Liebesgeschichte verzaubern lassen.

Charlotte Gordon – Romantic Outlaws: The extraordinary lives of Mary Wollstonecraft & Mary Shelley erschienen im Penguin Verlag

Romantic Outlaws ist das erste Buch, das die Geschichte des leidenschaftlichen und außergewöhnlichen Lebens von Mary Wollstonecraft – englische Feministin und Autorin des bahnbrechenden Buches „The Vindication of the Rights of Women“ – und ihrer Tochter Mary Shelley, Autorin von Frankenstein, erzählt.

Obwohl sie Mutter und Tochter waren, haben sich diese beiden brillanten Frauen nie gekannt – Wollstonecraft starb 1797 im Alter von 38 Jahren, eine Woche nach ihrer Geburt, an einer Infektion. Dennoch waren ihre Leben so eng miteinander verwoben, ihre Entscheidungen, Träume und Tragödien so unheimlich ähnlich, dass es unmöglich scheint, die eine ohne die andere zu betrachten.

Beide Frauen wurden berühmte Schriftstellerinnen, verliebten sich in brillante, aber unmögliche Männer, waren alleinerziehende Mütter, die außereheliche Kinder bekamen, lebten im Exil, kämpften um ihre Stellung in der Gesellschaft und machten sich unentwegt Gedanken darüber, wie sie leben sollten. Und beide Frauen brachen mit fast allen starren Konventionen, die es zu brechen gab: Wollstonecraft verfolgte Piraten in Skandinavien. Shelley nahm es in Neapel mit Banditen auf. Wollstonecraft segelte nach Paris, um die Revolution mitzuerleben. Shelley brannte auf einem Fischerboot mit einem verheirateten Mann durch. Wollstonecraft verkündete, dass die Freiheit der Frauen für jeden von Bedeutung sein sollte.

Wollstonecraft setzte sich nicht nur für die Rechte der Frauen ein, sondern entfachte mit ihrem Werk auch die Romantik. Sie inspirierte Coleridge, Wordsworth und eine ganze neue Generation von Schriftstellern, darunter auch ihre eigene Tochter, die – zusammen mit ihrem jungen Liebhaber Percy Shelley – Wollstonecrafts Werk an ihrem Grab laut vorlas. Mit gerade einmal neunzehn Jahren und als frischgebackene Mutter schrieb Mary Shelley Frankenstein, während sie mit Percy und Lord Byron (der prompt ein Kind von Marys Stiefschwester zeugte) durch Italien reiste. Es ist ein bahnbrechender Roman, der die Grenzen der menschlichen Natur und die Macht der Erfindungen in einer Zeit großer religiöser und wissenschaftlicher Umwälzungen erkundet. Darüber hinaus wurde Mary Shelley nach dem frühen Tod ihres Mannes zur Herausgeberin seiner Gedichte – eine wissenschaftliche Leistung, die seinen literarischen Ruf begründete.

Romantic Outlaws bringt zwei visionäre Frauen zusammen, die eigentlich ein gemeinsames Leben hätten führen sollen, stattdessen aber ein starkes literarisches und feministisches Vermächtnis hinterlassen haben. Dieses Buch war mein Highlight im Juni, ich kann es euch gar nicht genug ans Herz legen.

Both women were what Wollstonecraft termed “outlaws.” Not only did they write world-changing books, they broke from the strictures that governed women’s conduct, not once but time and again, profoundly challenging the moral code of the day. Their refusal to bow down, to subside and surrender, to be quiet and subservient, to apologize and hide, makes their lives as memorable as the words they left behind. They asserted their right to determine their own destinies, starting a revolution that has yet to end.

Perfekte Lektüre für alle die zwei wahnsinnig inspirierende, spannende Frauen kennenlernen möchten, die schon BadAss waren bevor es dieses Wort überhaupt gab und für die dieser Begriff wahrscheinlich erfunden wurde.

Mary Wollstonecraft – Eine Verteidigung der Rechte der Frau übersetzt von Edith Schotte

Bildung und freie Entfaltung für Frauen aller Schichten, das war die wichtigste Forderung von Mary Wollstonecraft. Sie war eine feministische Aufklärerin und maßgebliche Vordenkerin der Frauenbewegung. Ohne Frauen wie sie, hätte sich die Lage der Frauen nie entscheidend verbessern können.

Lehrt sie zu denken!“ Diese Aufforderung richtete Wollstonecraft an Lehrer, an Gouvernanten, an Mütter und Väter, an alle, die für die Erziehung von Mädchen verantwortlich waren. Denn sie wollte die Frauenbildung ihrer Zeit revolutionieren. Ungebildet, hinterhältig und oberflächlich, so sah Wollstonecraft ihre Zeitgenossinnen. Schuld daran war eine verlogene Gesellschaft, die den Frauen intellektuelle Bildung verwehrte. Als feministische Aufklärerin kämpfte Wollstonecraft für die Bildung und die freie Entfaltung von Frauen aller Schichten. Mit ihrem Anliegen hat sie Maßstäbe gesetzt und war eine wichtige Vordenkerin für die kommenden Frauenbewegungen.

Männer besitzen mehr Körperkräfte, doch gäbe es nicht diese falschen Schönheitsauffassungen, dann würden die Frauen ihren Körper genügend stärken, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, da allein dies die wahre Unabhängigkeit bedeutet.

Mich hat die Aktualität, Radikalität und Präzision von Wollstonecrafts Gedanken total umgehauen. Wir stehen in der Tat auf Schultern von Riesinnen.

Für alle die das tatsächliche Werk hinter der berühmten Frau kennenlernen wollen.

Sylvia Taschka – Wiederkunft erschienen im Prinzengarten Verlag

Im Jahr 2187 bestimmen Wasserknappheit und Wetterextreme den Alltag in den noch bewohnbaren Teilen der Erde.
Die brilliante Klimatologin Elli Pryce lebt zurückgezogen in der greeneuropäischen Hauptstadt Berlin. Sie kümmert sich lieber um den vernachlässigten Nachbarsjungen Aadalish als um ihre Beraterstelle der northernamericanischen Regierung.

Clif-Fi trifft SciFi trifft Fantasy. Ein interessanter Roman, den ich gerne gelesen habe, der zum nachdenken anregt, allerdings hätte ich auf den fantastischen Anteil (Wiederkehrer/Engel) gut verzichten können. Ich hätte mich gerne noch intensiver mit der Realität der Welt im Jahr 2187 beschäftigt.

Ein Buch über dessen Ideen man wunderbar bei einem Glas Wein philosophieren kann – ich werde den Roman demnächst in meiner „Women in SciFi“ Reihe noch etwas genauer vorstellen.

Im Innenhof waren zahlreiche Bäume gestanden. Diese waren mittlerweile alle wegen der zahlreichen Stürme und der Unfallgefahr gefällt. Statt der Bäume hatte man als Sonnenschutz eine Art durchsichtige Haut über den ganzen Hof gespannt, die an den Seiten von gigantischen, stählernen Pfosten gehalten wurde

Ein Buch für Fantasy-Fans mit Interesse für CliFi und Lust am spekulieren darüber haben, wohin sich unsere Welt in näherer und fernerer Zukunft entwickelt.

Das Buch habe ich im Übrigen als Rezensionsexemplar erhalten.

Lauren Beukes – The Shining Girls übersetzt von Karolina Fell erschienen im Rowohlt Verlag

Chicago zur Zeit der Großen Depression. Harper Curtis lebt auf der Straße. Er ist kaltblütig, hochgefährlich, von Wahnvorstellungen getrieben. Seit er die strahlend schöne Tänzerin Jeanette sah, träumt er von seinen «Shining Girls». Er will nur eines: ihr Licht für immer auslöschen. Eines Tages fällt ihm der Schlüssel zu einem alten Haus in die Hände – ein Portal. Von nun an reist Harper durch die Zeit, um zu töten. Niemand kann ihn stoppen, keiner vermag die Spuren zu deuten, die er am Tatort hinterlässt. Dinge, die noch nicht oder nicht mehr existieren. Doch dann überlebt eines von Harpers Opfern. Der jungen Kirby gelingt es, die seltsamen Puzzleteile zusammenzusetzen. Und sie beginnt, den Killer durch die Zeit zu jagen.

The problem with snapshots is that they replace actual memories. You lock down the moment and it becomes all there is of it.

Für Fans von intelligenten Thrillern mit Zeitreise-Thematik, die allerdings nicht allzu zart besaitet sein sollten. Wurde auch als Mini-Serie verfilmt. Hier der Trailer:

Anne Tyler – Digging to America auf deutsch unter dem Titel „Tag der Ankunft“ übersetzt von Christine Frick-Gerke, erschienen im List Verlag

Zwei ganz verschiedene Familien, eine amerikanische und eine iranische, lernen sich auf dem Flughafen in Baltimore kennen. Hätten sie nicht beide ein koreanisches Kind adoptiert, sie wären sich wohl nie begegnet. Es entsteht eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen den ungleichen Familien, die fast alle Mitglieder auf immer verändern wird.

Jedes Jahr am Jahrestag des „Ankunftstages“ feiern die beiden Großfamilien gemeinsam mit immer aufwändigeren Partys, und begleiten Susan und Jin-ho dabei wie sie Wurzeln schlagen und zu Amerikanerinnen werden.

Anne Tyler kann definitiv gut schreiben, aber das Buch war nichts für mich. Ich empfand die ständigen Parties als repetitiv und konnte mit keinem der Protagonist*innen viel anfangen. Da ich grundsätzlich nicht so der Typ „Familienroman“ bin, muss das nicht gegen das Buch sprechen, allerdings wurde es auch im Bookclub von einer Hälfte heiß geliebt, die andere war zu Tode gelangweilt.

Isn’t it odd,” Maryam said. “Just like that, a completely unknown person is a part of their family forever. Well, of course that’s true of a birth child, too, but … I don’t know, this seems more astonishing.” “To me, both are astonishing,” Dave said. “I remember before Bitsy was born, I used to worry she might not be compatible with the two of us. I told Connie, ‘Look at how long we took deciding whom we’d marry, but this baby’s waltzing in out of nowhere, not so much as a background check or a personality quiz. What if it turns out we don’t have any shared interests?

So meine Lieben – das war mein Lese-Juni. Welche Bücher kennt ihr bereits? Auf welche konnte ich euch Lust machen?

Freue mich wie immer sehr von Euch zu hören.

Lektüre Mai 2022

Mai war ein guter Lesemonat. Viele sonnige Tage Lesetage auf dem Balkon und ansonsten die übliche der Insomnia geschuldete Nachtlektüre.

In alphabetischer Reihenfolge:

Jan Assmann – „Achsenzeit- eine Archäologie der Moderne erschienen im C. H. Beck Verlag

Um das 6. Jahrhundert vu. Z. traten in verschiedenen Kulturräumen der Welt Philosophen und Propheten auf, die das bisherige mythische Denken überwanden: Konfuzius und Laotse in China, Buddha in Indien, Zarathustra in Persien, die Propheten des Alten Israel und die Philosophen in Griechenland. Diese Zeit wurde von Karl Jaspers „Achsenzeit“ genannt. Jan Assmann beschreibt, wie Historiker und Philosophen seit der Aufklärung die erstaunliche Gleichzeitigkeit der Achsenzeit-Kulturen erklärt und in der Achsenzeit die geistigen Grundlagen der Moderne gesucht haben.

Habe gefühlt das halbe Buch unterstrichen. Ein wirklich spannendes, gut geschriebenes Buch über eine der spannensten Zeiten in der Menschheitsgeschichte, über die ich definitiv noch viel mehr lernen möchte.

Die Achsenzeit-Theorie hat diese Formel auf den Weg des menschlichen Denkens überhaupt ausgedehnt. In der Tradition Max Webers mit seiner These der Entzauberung der Welt unabwendbar fortschreitenden Rationalisierung der Welt erweist sich die Achsenzeit-Theorie als eine Form der Modernisierungstheorie, die besagt, dass die Menschheit in ihrem geistigen Entwicklungsgang mehr oder weniger unaufhaltsam von niedrigen, defidizienten Stufen ihres Welt- und Selbstbewusstseins zu immer vollständigeren und klareren Stufen fortschreitet bzw fortschreiten sollte. … Die Achsenzeit-Theorie versteht diesen Weg jedoch von allem Anfang an als global, jedenfalls als transkulturell, weil China, Indien, Persien, Israel und Griechenland ihn gleichzeitig beschritten und auf lange Sicht alle anderen Kulturen nachgezogen haben.

Isabel Bogdan „Der Pfau“ erschienen im Insel Verlag

Ein charmant heruntergekommener Landsitz in den schottischen Highlands, eine Londoner Investmentbankertruppe zum Teambuilding – und ein durchgedrehter Pfau, der bei Blau nur noch rotsieht und dadurch ein Geschehen in Gang setzt, das alle Beteiligten an ihre Grenzen bringt.

Leichte Lektüre die große Lust auf einen Schottland-Besuch mit Scones und High Tea macht.

Einer der Pfauen war verrückt geworden. Vielleicht sah er auch nur schlecht, jedenfalls hielt er mit einem Mal alles, was blau war und glänzte, für Konkurrenz auf dem Heiratsmarkt.

Amanda Cross „Poetic Justice“ auf deutsch unter dem Titel „Eine feine Gesellschaft“ im dtv Verlag

Wir schreiben das Jahr 1970 in New York City, und die Universität, an der Professorin Kate Fansler viktorianische Literatur unterrichtet, ist von Studentenunruhen heimgesucht worden. Das Überleben des University College steht in Frage, zumal ihr Präsident Jeremiah Cudlipp entschlossen ist, es zu schließen.

Mitten in der Abwägung zwischen Dissertationsvorschlägen und akademischer Politik steht Kate vor einem unüberwindbaren Hindernis. Doch bewaffnet mit einer Handvoll rebellischer Kollegen, der Poesie von W. H. Auden und ihrem neuen Verlobten gibt sie nicht auf.

Kate ist bereit, bis zum Tod für ihr College zu kämpfen, aber nur ein Wunder – oder vielleicht ein Mord – kann ihre geliebte Institution retten …

The news that Kate was acquiring a husband became, as the fall semester got under way, the excuse for a bacchanal. Which is to say that the three secretaries in the English Department, certain that marriage is more important than revolution, planned a department party to celebrate.

Wer nervenzerreissende Spannungsliteratur sollte nicht zu diesem Buch greifen. Es ist kein wirklich Krimi, mehr ein feministischer Feelgood-Krimi mit viel literarischem Flair, den ich wieder gerne gelesen habe und der mir große Lust auf die Gedichte von Auden machte.

Lauren Groff „Matrix“ auf deutsch unter dem gleichen Titel im Claassen Verlag

Eine Geschichte von weiblicher Gemeinschaft und Macht. Ein Fest der Erzählfreude, der Erfindungskraft und des Intellekts. Das neue Meisterwerk von Lauren Groff.

Marie ist siebzehn Jahre alt, groß und ungelenk und nach allgemeiner Ansicht ungeeignet für die Ehe und das höfische Leben. Sie verehrt ihre Königin, Eleanore von Aquitanien, doch die verstößt sie mit einem Lächeln: Marie soll Priorin eines abgelegenen Klosters werden, irgendwo im Schlamme Englands, fern von den zärtlichen Zuwendungen ihrer Dienerin. Lebendig begraben in der Gemeinschaft verarmter, frierender, hungernder Nonnen – ausgerechnet sie, die aus einer Familie von Kriegerinnen stammt und alles andere als fromm ist. Doch in der Abgeschlossenheit des Klosters findet Marie für sich und ihre Schwestern ungeahnte Möglichkeiten von weltlichem Einfluss, Wohlstand und neuer Gemeinschaft.

Matrix erzählt die Geschichte einer fehlbaren Heldin: einer Frau – kriegerisch, imposant, machtbewusst, hingebungsvoll –, deren Visionen verlorengehen, wie so viele Stimmen starker Frauen im Lauf der Geschichte. Der neue, flirrend aufregende Roman von Lauren Groff erweckt sie zum Leben und beschwört die utopische Kraft weiblicher Kreativität in einer korrumpierten Welt.

Großes Lese-Highlight für mich.

Women act counter to all the laws of submission when they remove themselves from availability.

Judith Hermann „Alice“ erschienen im S. Fischer Verlag

Wenn jemand geht, der dir nahe ist, ändert sich dein ganzes Leben, es ändert sich, ob du willst oder nicht. Alles wird anders. Alice ist die Heldin dieser fünf Geschichten, alle erzählen von ihr – und davon, wie das Leben ist und das Lieben, wenn Menschen nicht mehr da sind. Dinge bleiben zurück, Bücher, Briefe, Bilder, und ab und zu täuscht man sich in einem Gesicht. Lebenswege kreuzen sich, ändern die Richtung und werden unwiederbringlich auseinandergeführt.

Wie schon in „Sommerhaus, später“ und „Nichts als Gespenster“ schreibt Judith Hermann Geschichten von filigraner dunkler Schönheit.

Das siebente Haus ist das Haus der Türen. Durch die die Menschen kommen und von dir weggehen. Die Planeten laufen langsam, aber sie machen ihre Transite, und dann ändert sich dein ganzes Leben.

Lisa Kröger & Melanie R. Anderson – Monster, she wrote erschienen bei Quirk Books

Wer mich und meinen Blog ein bisschen kennt, weiß um meine große Liebe zu Gothic, Grusel und Übernatürlichem, daher war dieses spannende Büchlein hier absolut perfekt für mich. Hier treffen wir die Autorinnen, die sich den Konventionen widersetzten und einige der ungewöhnlichsten Geschichten der Literatur schufen, von Frankenstein bis The Haunting of Hill House und noch viel mehr.

Frankenstein war nur der Anfang: Horrorgeschichten und andere gruselige Romane gäbe es nicht ohne die Frauen, die sie geschaffen haben. Von Gothic-Geistergeschichten über psychologischen Horror bis hin zu Science-Fiction – Frauen waren die Hauptakteure der spekulativen Literatur in den unterschiedlichsten Genres. Und ihre eigenen Lebensgeschichten sind oft ebenso faszinierend wie ihre Geschichten. Jeder kennt Mary Shelley, die Schöpferin von Frankenstein, von der es heißt, sie habe das Herz ihres verstorbenen Mannes in ihrer Schreibtischschublade aufbewahrt. Aber kennt ihr zum Beispiel Margaret „Mad Madge“ Cavendish über die Marius von Buchhaltung in meiner „Women in SciFi“-Reihe berichtete, die 150 Jahre zuvor ein Science-Fiction-Epos schrieb (und im Theater gerne oben ohne rumlief)?

Über Shirley Jackson deren Roman The Haunting of Hill House als Netflix-Serie neu erfunden wurde, muss ich nicht viel sagen, habe mich aber sehr gefreut auch wirklich spannende Neuentdeckungen zu machen, wie zum Beispiel die Autorin von psychologischen Spukgeschichten, Violet Paget, die in der viktorianischen Ära ganz offen langfristige romantische Beziehungen mit Frauen unterhalten hat. In diesem Buch trifft man bekannte Ikonen, vergessene Autorinnen und die heutige Avantgarde. Kuratierte Leselisten haben meinen Wunschzettel dann auch entsprechend wachsen lassen.

Teils Biografie, teils Leseführer, stellen die fesselnden Beschreibungen und detaillierten Leselisten mehr als hundert Autorinnen und über zweihundert ihrer geheimnisvollen und gruseligen Romane, Novellen und Geschichten vor.

Sarah Perry „Melmoth“ auf deutsch unter dem gleichen Titel im Eichborn Verlag erschienen, übersetzt von Eva Bonné

Ein fesselnder und wunderbar unheimlicher Roman…

Helen Franklins Leben nimmt eine jähe Wende, als sie in Prag auf ein seltsames Manuskript stößt. Es handelt von Melmoth – einer mysteriösen Frau in Schwarz, der Legende nach dazu verdammt, auf ewig über die Erde zu wandeln. Helen findet immer neue Hinweise auf Melmoth in geheimnisvollen Briefen und Tagebüchern – und sie fühlt sich gleichzeitig verfolgt. Liegt die Antwort, ob es Melmoth wirklich gibt, in Helens eigener Vergangenheit?

Ein Buch, das einen packt und nicht mehr loslässt. Düster, mystisch und beklemmend – ganz nach meinem Geschmack.

My reader, my dear- you know her, you have been waiting for her: it is the witness, the wandering woman- the punished world’s wickedness unfolds! Oh beloved one, my companion- it is I, Melmoth, whose voice you have heard all these hours, all these days…It was I who told you to read, and to bear witness….Didn’t you know? Didn’t you guess?

Carlo Rovelli „Seven Brief Lessons on Physics“ auf deutsch unter dem Titel „Sieben kurze Lektionen über Physik“ und „The Order of Time“ auf deutsch unter dem Titel „Die Ordnung der Zeit“ beide erschienen im Rowohlt Verlag, übersetzt von Sigrid Vagt bzw Enrico Heinemann

Wo kommen wir her? Was können wir wissen? Seit ihren umwälzenden Entdeckungen im zwanzigsten Jahrhundert spüren Physiker den Kräften und Teilchen nach, die die Welt im Innersten und Äußersten zusammenhalten. Für jedermann verständlich, hat Carlo Rovelli dieses zauberhafte Buch darüber geschrieben. Es stürmte in wenigen Wochen an die Spitze der italienischen Bestsellerliste und wird derzeit in fast zwanzig Sprachen übersetzt.

In the awareness that we can always be wrong, and therefore ready at any moment to change direction if a new track appears; but knowing also that if we are good enough we will get it right and will find what we are seeking. This is the nature of science.


In eleganten, klaren Sätzen erklärt Rovelli die Physik der Moderne: Einstein und die Relativitätstheorie, Max Planck und die Quantenmechanik, die Entstehung des Universums, Schwarze Löcher, die Elementarteilchen, die Beschaffenheit von Raum und Zeit – und die Loop-Theorie, sein ureigenstes Arbeitsfeld.


There are frontiers where we are learning, and our desire for knowledge burns. They are in the most minute reaches of the fabric of space, at the origins of the cosmos, in the nature of time, in the phenomenon of black holes, and in the workings of our own thought processes. Here, on the edge of what we know, in contact with the ocean of the unknown, shines the mystery and the beauty of the world. And it’s breathtaking.

Warum stehen wir mit den Füßen auf dem Boden? Newton meinte, weil sich Massen anziehen, Einstein sagte, weil sich die Raumzeit krümmt. Carlo Rovelli hat eine andere Erklärung: vielleicht ja deshalb, weil es uns immer dorthin zieht, wo die Zeit am langsamsten vergeht. Wenn, ja wenn es so etwas wie Zeit überhaupt gibt. Kaum etwas interessiert theoretische Physiker von Rang so sehr wie der Begriff der Zeit. Leben wir in der Zeit oder lebt die Zeit vielleicht nur in uns? Warum der physikalische Zeitbegriff immer weiter verschwimmt, je mehr man sich ihm nähert, warum es im Universum keine allgemeine Gegenwart gibt, warum die Welt aus Geschehnissen besteht und nicht aus Dingen und warum wir Menschen dennoch gar nicht anders können, als ein Zeitbewusstsein zu entwickeln: Rovelli nimmt uns mit auf eine Reise durch unsere Vorstellungen von der Zeit und spürt ihren Regeln und Rätseln nach. 

This is time for us. Memory. A nostalgia. The pain of absence. But it isn’t absence that causes sorrow. It is affection and love. Without affection, without love, such absences would cause us no pain.
For this reason, even the pain caused by absence is in the end something good and even beautiful. Because it feeds on that which gives meaning to life.

Freue mich sehr über Rückmeldung von Euch daher sagt mal habt ihr schon eines der Bücher gelesen bzw konnte ich euch Lust auf das eine oder andere machen?

Happy Reading 🙂

Große gemischte Tüte

Ian McEwan ist der Naturwissenschaftler unter den Romanautoren. Immer wieder beschäftigt er sich in seinen Werken damit, woher die menschliche Erkenntnis kommt, wie zugänglich die Erkenntnisse der Wissenschaften für uns Leser sind, gibt es eine universelle menschliche Natur? In diesem Bändchen finden sich fünf Essays, die sich mit Wissenschaft, Literatur und Religion beschäftigen.

My own particular hero is E.O. Wilson” sagte der britische Schriftsteller Ian McEwan einmal in einem Interview. Es mag etwas überraschen, dass der „Held“ eines Literaten kein Dichter oder Romancier ist, sondern ein amerikanischer Biologe, der für die Entwicklung der Soziobiologie, einer Verschmelzung von Natur- und Sozialwissenschaften, berühmt ist. Doch wenn man sich McEwans Werk ansieht, wird deutlich, dass er zwar selbst ganz klar Literat ist, sich aber sehr für wissenschaftliche Themen interessiert. Für seine Romane Saturday und Enduring Love wählte er sogar zwei Wissenschaftler als Protagonisten, die der Erzählung ihr rational-wissenschaftliches Weltbild aufdrücken. Gleichzeitig geraten beide Protagonisten in einen Konflikt mit der Literatur.

„Über die Entstehung, in dreizehn Monaten geschrieben, ist das Resultat einer enormen intellektuellen Anstrengung: ausgereifte Einsichten, umfassendes Wissen und präzise Beobachtungen, die Darbietung aller Fakten, die Erläuterung geradezu unwiderleglicher Argumente im Dienste einer profunden Kenntnis natürlicher Abläufe. Darwins Zögern, gegen Emmas religiöse Überzeugungen zu verstoßen, den theologischen Gewissheiten seiner Kollegen zu widersprechen oder sich in der unpassenden Rolle eines Bilderstürmers wiederzufinden, eines radikalen Abweichlers in der viktorianischen Gesellschaft – all diese Bedenken warf er über den Haufen, weil er fürchtete, jemand anderes könne ihm zuvorkommen und die Anerkennung für Überlegungen einheimsen, die er für die seinen hielt.“

Darwin bildet ein wenig den roten Faden zwischen den einzelnen Vorträgen bzw. Artikeln, bzw. der Vergleich der Arbeit eines Wissenschaftlers mit der eines Autors, dennoch stehen die Essays in keinem bestimmten zeitlichen oder inhaltlichen Bezug zueinander. Trotzdem habe ich sie sehr gerne gelesen – eine sehr anregende Lektüre, die mich dazu bringt, dieses Jahr aber wirklich endlich Darwins „The Origins of Species“ zu lesen, das schon viel zu lange ungelesen in meinem Regal steht.

Ich danke dem Diogenes Verlag für das Rezensionsexemplar.

Gilbert hat einen Alptraum, indem seine Frau untreu ist, er erwacht schwer empört und konfrontiert sie im Laufe des Tages mit ihrer Untreue. Sie jedoch leugnet jegliche eheliche Abschweifung, woraufhin er von ihrer Untreue weiterhin tief überzeugt, seine seine Tasche packt, seinen Pass nimmt, zum Flughafen fährt und den erstbesten verfügbaren Interkontinentalflug bucht. Er landet in Tokio, wo Gilbert – ein Forscher in Sachen Bart – versucht, ein Gespräch mit einem seltenen jungen Japaner anzufangen, der erste, den er sieht, der einen kleinen Bart trägt. Yosa war gerade im Begriff, Selbstmord zu begehen, aber als Gilbert ihn anspricht, verbietet es die Höflichkeit, mit seinem Plan fortfahren. Ausgestattet mit zwei Büchern, Bashos berühmtem Reiseführer über das Hinterland Japans und einem japanischen Selbstmord-Handbuch, beginnen die beiden Männer eine Reise durch Japan auf der Suche nach den seit Basho bedichteten berühmten Kiefern.

Über den Weg, der neben dem Schild vom Hauptweg abzweigte, spannte sich ein dünner Faden, der offenbar eine Sperre versinnbildlichen sollte. Yosa hob das Sinnbild an, bückte sich darunter durch, und Gilbert tat es ihm gleich, auf einmal von heißem Trotz gegen eine Maßregelung durch schlaffe Bindfäden erfüllt. Sie brauchen ihm jetzt wirklich nicht mit der Albernheit zu kommen, ihn mittels Bindfäden gängeln zu wollen, er hielt sich an ausreichend viele Vorschriften, wenn auch widerstrebend, und bei einem Waldspaziergang benötigte er keine Kontrolle und keine Bevormundung. Er überholte Yosa und stapfte wütend den Pfad entlang durch unübersichtliches, verbotenes Gebiet.

Der Roman ist ein kleines Meisterwerk. Witzig, skurril, großartig beobachtet. Ich weiß nicht, wie Poschmann es geschafft hat, sie fängt mit atemberaubender Perfektion exakt die verwirrende Erfahrung ein, die einen als Besucher des Landes permanent begleitet. Ich hatte vor der Lektüre schon eine Ahnung, dass es mir gefallen könnte, aber es dürfte eines der Highlights des Jahres sein, kann es nur jedem ans Herzen legen und je weniger man vorher über den Roman weiß, desto besser glaube ich.

Marion Poschmann erzählt in „Nimbus“ von den Verheerungen, denen die Natur durch den Menschen ausgesetzt ist. Ihre poetischen Illuminationen lassen die Magie der Natur sinnlich werden. Diese Gedichte haben eine unfassbar schöne Rhythmik und die Sprache malt passende atmosphärische Bilder dazu. Ich habe keine Ahnung, wie man Gedichte bespricht, daher einfach nur: Kauft diesen Gedichtband, lasst euch hineinfallen und legt ihn nie zu weit außer Reichweite, ihr werdet immer wieder einmal darin lesen wollen!

Farnfraktal – wie Flügel gegen sinkendes Abendlicht.
Und wir, wir wichen schüchtern den Schritt zurück
ins Dunkle, wo die Farnspiralen
ausharrten, dicht in sich eingewunden,

genügsam, lautlos. War ich denn jemals so –
so eingerollt in mich, völlig eingehegt
in Wald, der an mich grenzte, Wald, der
Gegenfarn bildete, größer, stiller.

Diese erstaunliche Frau führte ein sehr beeindruckendes Leben. Anne Beaumanoir war im Zweiten Weltkrieg im kommunistischen Widerstand gegen die Nazi-Besatzung Frankreichs, half vielen ihrer jüdischen Mitmenschen dem Nazi-Terror, der Gefangenschaft und dem sicheren Tod zu entkommen, arbeitete als Neurologin, war im algerischen Unabhängigkeitskampf gegen den französischen Kolonialismus aktiv und wurde dafür zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt, lebte viele Jahre in Tunesien und Algerien im Exil und half in den Anfangsjahren der algerischen Unabhängigkeit beim Aufbau des algerischen Gesundheitssystems. Heute ist sie 97 Jahre alt und traf bei einer Veranstaltung auf die Autorin Anne Weber, der sie ihr Leben erzählte.

„Zu lange waren Angst Erschöpfung Einsamkeit
ihre einzigen Begleiter. Sie kann nicht mehr. Im
Parc Monceau findet sie, statt der Ruhe, die sie sucht,
eine noch nie empfundene Beklemmung. Kein
Mensch in dieser großen Stadt, die sie mit kleinen
Schritten monatelang durchmessen hat, von der sie
jeden Winkel, jeden Außenbezirk kennt, kein Mensch,
der sich im Geringsten um sie schert, der sie was fragt
oder sich vielleicht Gedanken um sie macht, nichts,
niemand – Leere. Hat Kommunismus nicht mit
Gemeinsamkeit zu tun? Als sie noch handelte und
etwas Sinnvolles vollbrachte – etwas, wovon sie
hoffte, dass es sinnvoll war -, da ging es noch. Und
jetzt?

Die Form erhebt Beaumanoir in die Höhen einer griechischen Heldin, aber gleichzeitig macht der Inhalt sie zu einer sehr modernen Figur, die nicht nur durch die Zeit in der sie lebte geformt wurde, sondern die sich auch mit Fragen wie Identität und Ideologie beschäftigte. Die Sprache ist poetisch, aber, in Anbetracht der Form, nicht sehr stilisiert und sehr zugänglich. Die ganze Mischung ist ein überaus fesselndes Erlebnis.

In The Heat of the Day erschafft Elizabeth Bowen auf brillante Weise die angespannte und gefährliche Atmosphäre Londons während der Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs.

Viele Menschen sind aus der Stadt geflohen, und diejenigen, die zurückgeblieben sind, finden sich in einer seltsamen, aus der Krise geborenen Intimität zusammen. Stella Rodney ist eine von denen, die sich entschieden haben, zu bleiben. Aber für sie wird das Gefühl der bevorstehenden Katastrophe plötzlich sehr persönlich, als sie entdeckt, dass ihr Geliebter Robert verdächtigt wird, Geheimnisse an den Feind zu verkaufen, und dass der Mann, der ihn verfolgt, Stella als Preis für sein Schweigen zu seiner Geliebten machen will. Gefangen zwischen diesen beiden Männern und nicht sicher, wem sie glauben soll, gerät Stellas Welt aus den Fugen, als sie erfährt, wie wenig wir wirklich über die Menschen um uns herum wissen können.

„Beide waren in ihrem Element, und als sie sich kennenlernten gleich noch viel mehr. Es war typisch für dieses Leben im Augenblick und um des Augenblicks willen, daß man Menschen gut kannte, ohne allzuviel von ihnen zu wissen. Das Vakuum hinsichtlich der Zukunft entsprach dem Vakuum hinsichtlich der Vergangenheit; Lebensgeschichten wurden als unnützer Ballast abgeworfen, und aus verschiedenen Gründen kam das sowohl ihr als auch ihm entgegen.“

Bowen hat einen ungewöhnlichen Schreibstil, der mich immer wieder mal an Virginia Woolf erinnerte. Manchmal kamen die Worte geradezu in Maschinengewehrsalven auf einen zu, dann wieder ihre Sätze fast träge wie wie ein schwüler Spätsommertag. Dies ist mein erster Roman von Elizabeth Bowen, aber sicher nicht meine letzter. Der Roman ist eine spannende Mischung aus Noir-Spionage mit einem Spritzer Liebesroman.

Dieses kleine Buch wurde 1938 in den Vereinigten Staaten veröffentlicht und wurde noch zu Lebzeiten der Autorin zum Klassiker. Die Erstveröffentlichung hat wegen der darin enthaltenen Wahrheiten – und der Warnungen – immer wieder an Popularität gewonnen.

A short time before the war, some cultivated, intellectual, warmhearted German friends of mine returned to Germany after living in the United States. In a very short time they turned into sworn Nazis. They refused to listen to the slightest criticism about Hitler. During a return visit to California, they met an old, dear friend of theirs on the street who had been very close to them and who was a Jew. They did not speak to him. They turned their backs on him when he held his hands out to embrace them. How can such a thing happen? I wondered. What changed their hearts so? What steps brought them to such cruelty?

These questions haunted me very much and I could not forget them. It was hard to believe that these people whom I knew and respected had fallen victim to the Nazi poison. I began researching Hitler and reading his speeches and the writings of his advisors. What I discovered was terrifying. What worried me most was that no one in America was aware of what was happening in Germany and they also did not care. In 1938, the isolationist movement in America was strong; the politicians said that affairs in Europe were none of our business and that Germany was fine. Even Charles Lindbergh came back from Germany saying how wonderful the people were. But some students who had returned from studying in Germany told the truth about the Nazi atrocities. When their fraternity brothers thought it would be fun to send them letters making fun of Hitler, they wrote back and said, “Stop it. We’re in danger. These people don’t fool around. You could murder one of these Nazis by writing letters to him.”

So erklärte Kathrine Kressmann Taylor die Inspiration zu „Adresse unbekannt“, das heute als eines der grundlegenden Werke der Anti-Nazi-Literatur gilt. Ursprünglich 1938 veröffentlicht, wurde die Kurzgeschichte in Form eines Briefwechsels auf dem Höhepunkt des Aufstiegs des Nationalsozialismus in Deutschland zwischen zwei Geschäftspartnern und Freunden geschrieben. Martin, der kürzlich nach Deutschland zurückgekehrt ist, wird nach und nach von der Nazi-Ideologie indoktriniert, sein Freund Max ist Jude, der in Amerika zurückgeblieben ist, um das Geschäft weiterzuführen.

Die Geschichte beschäftigt sich mit den Themen Fanatisierung, Faschismus und Rache und wie leicht der Spieß auch umgedreht werden könnte, wenn man andere verunglimpft. Leider ist dieses Buch auch heute noch so relevant wie eh und je, wo faschistische Ideale wieder auf dem Vormarsch sind und durch Social Media leicht verbreitet und akzeptiert werden.

Ich hoffe, in dieser gemischten Tüte war etwas dabei für euch? 6 sehr unterschiedliche, aber allesamt überaus empfehlenswerte Bücher die ich euch ans Herz legen möchte.

Hier noch einmal in der Übersicht:

  • Erkenntnis und Schönheit von Ian McEwan erschienen im Diogenes Verlag
  • Die Kieferninseln von Marion Poschmann erschienen im Suhrkamp Verlag
  • Nimbus von Marion Poschmann erschienen im Suhrkamp Verlag
  • Annette, ein Heldinnenepos von Anne Weber erschienen im Matthes & Seitz Verlag
  • In der Hitze des Tages von Elizabeth Bowen erschienen im Schöffling Verlag
  • Adressat unbekannt von Kressmann Taylor erschienen im Rowohlt Verlag