Große gemischte Tüte

Bei permanent 100 Grad in der Wohnung und einer fetten Sommererkältung ist mein Hirn zu matschig für lange Rezensionen. Der Stapel der nicht rezensierten Bücher muß aber endlich mal aufgeräumt werden, es wird daher Zeit für eine ganz große gemischte Tüte, damit die Seele hier endlich mal wieder Ruhe hat…

Ein Ire in Paris – Jo Baker

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Dieser Roman basiert auf dem Leben Samuel Becketts und konzentriert sich auf seine Zeit während des zweiten Weltkrieges in Paris und auf die Beziehung zu seiner Liebhaberin Suzanne. Als der 2. Weltkrieg erklärt wird, ist Samuel gerade zu Hause in Irland. Seine Mutter versucht vergeblich, die Familie zusammen zu halten, trotzdem zieht es den einen Teil der Familie nach London, Samuel zurück nach Paris.

Obwohl Beckett den Krieg zu Hause in Irland in relativer Sicherheit hätte verbringen können, bleibt er im besetzten Paris und wird Teil der Resistance. Das Buch zeichnet aber kein romantisches auf Heldentum basiertes Bild vom Krieg, sondern zeigt den Mut, aber auch die verzweifelte Ermüdung, die Angst, die Zwänge und die Anspannung, die mit dieser Tätigkeit zusammenhängen. Immer weiter laufen, immer weiter machen selbst wenn man ein Telegramm bekommt, dass die Verhaftung eines weiteren Freundes durch die Gestapo verkündet … und man eigentlich keine Ahnung hat, wohin man sich wenden soll, wo es Sicherheit gibt und ob du der nächste bist, an dessen Tür es nachts klopft…

“He stares now at the three words he has written.They are ridiculous. Writing is ridiculous. A sentence, any sentence, is absurd. Just the idea of it; jam one word up against another, shoulder-to-shoulder, jaw-to-jaw; hem them in with punctuation so they can’t move an inch. And then hand that over to someone else to peer at, and expect something to be communicated, something understood. It’s not just pointless. It is ethically suspect.” 

Es geht aber auch um seine Beziehung zu Suzanne und Becketts Bewunderung für James Joyce. Ein sehr spannendes interessantes Porträt eines Ausnahme-Schriftstellers, der mir während der Lektüre immer symphatischer wurde. Ein aufrüttelndes nachdenklich stimmendes Buch, dass ich gar nicht mehr aus der Hand legen wollte und das eigentlich perfekte Bookclub Lektüre gewesen wäre. Große Empfehlung!

Ready Player One – Ernest Cline

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Wir schreiben das Jahr 2044 und die Welt ist kein wirklich schöner Ort mehr. Es gibt kein Öl mehr, wir haben das Klima versaut und Dürre, Armut, Krankheiten und Hungersnöte sind weit verbreitet.

Der größte Teil der Menschheit entkommt der deprimierenden Realität in dem sie sich den ganzen Tag an die OASIS anschließen, ein immer größer werdendes virtuelles Paradies, wo man wunderbar leben und sich verlieben kann auf einem der 10000 Planeten. So verbringt auch Wade Watts seine Zeit und, wie der Rest der Menschheit auch, ist er genau so obsessiv auf der Jagd nach dem ominösen Lotterie-Ticket, das irgendwo in der OASIS versteckt sein soll und unglaubliche Reichtümer verspricht. Der OASIS Gründer James Halliday, der ohne Nachfahren starb, verspricht dem Ticketfinder die Kontrolle über die OASIS – inklusive seines immensen Vermögens….

“I created the OASIS because I never felt at home in the real world. I didn’t know how to connect with the people there. I was afraid, for all of my life, right up until I knew it was ending. That was when I realized, as terrifying and painful as reality can be, it’s also the only place where you can find true happiness. Because reality is real.”

Die Rätsel, die gelöst werden müssen, basieren auf popkulturellem Wissen des späten 20. Jahrhunderts, das Spezialgebiet Wanes. Als er das erste Rätsel knackt, ist er plötzlich inmitten eines gnadenlosen Konkurrenzkampfes, der bald nicht nur in der virtuellen Welt echte Gefahren birgt.

Das Buch wurde kürzlich verfilmt, habe den Film aber bislang noch nicht gesehen. Möchte ich aber auf jeden Fall nachholen.  Ein tolles Buch für Nerds und Cyberpunks, die Spaß an den zig Zitaten und Hinweis der Popkultur haben werden. Es hat mich nicht umgehauen, aber es ist definitiv gute Unterhaltung.

Das Buch ist auf deutsch unter dem gleichnamigen Titel im Fischer TOR Verlag erschienen.

Midnight at the Bright Ideas Bookshop – Matthew Sullivan

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Lydia Smith ist Buchhändlerin im Bright Idea Book Store in Denver. Sie liebt ihre Bücher und ihre Kunden, insbesondere ihre exzentrischen Book Frogs, meist etwas seltsame einsame Männer, die stundenlang im Buchladen herumhängen. Joey Molina ist einer dieser Book Frogs.

Eines Nachts kurz vor Feierabend findet Lydia den erhängten Joey im Buchladen. Als sie ihn auf den Boden legt, merkt sie, dass aus seiner Hosentasche ein Foto herausschaut, das sie selbst als auf ihrem 10. Geburtstag als Kind zeigt. Ein Bild, das sie an ein schreckliches Ereignis ihrer Kindheit erinnert, an ihre Nacht mit dem Hammermann. Woher hat Joey dieses Bild und warum hat er es in der Nacht seines Suizids in der Hosentasche stecken?

“Something’s wrong in the air, you know, when a book costs less than a bullet. Or a Coke. Values-wise.”

Sie war immer Joeys Lieblingsbuchhändlerin und sie erbt seine wenigen weltlichen Besitztümer: ein paar Kisten voller Bücher und einen ungetragen Anzug. Lydia entdeckt, dass in sämtlichen Büchern unerklärlicherweise kleine Rechtecke herausgeschnitten wurden, die seltsame Nachrichten enthalten.

Ein spannender Kirmi für buchverrückte Bibliophile, die Spaß an literarischen Rätseln haben.  Das Buch war die Juli-Lektüre im Bookclub und es wurde durch die Bank weg von allen gemocht. Nix weltbewegendes, aber durchaus unterhaltsam.

Das Buch erschien auf deutsch unter dem Titel „Der Tod kommt nach Mitternacht“ im Random House Verlag.

The Idle Traveller – Dan Kieran

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A good traveller has no fixed plans
And is not intent upon arriving
(Lao Tzu)

The Idle Traveller ist ein Buch, das Lust auf das langsame Reisen macht, bei dem der Weg genauso wichtig ist wie das Reiseziel. Wir hetzen durch die Gegend, von einem Flughafen zum nächsten, eine Hotel-Lobby ist der nächsten zum Verwechseln ähnlich und je mehr wir versuchen, unserem langweiligen Alltag zu entkommen, desto schwieriger wird es eine Antwort darauf zu finden, was zur Hölle wir da eigentlich machen.

Kieran macht nicht nur Lust aufs Reisen, er macht auch Lust aufs Daheimbleiben  – „staycation“ im Englischen. Wenn wir reisen, dann sollten wir uns treiben lassen. Einfach mal drauf los laufen und nicht auf Google Maps nach dem kürzesten Weg von Sehenswürdigkeit A zu Sehenswürdigkeit B und der Top Empfehlung des Restaurants in 50m Umgebung suchen. Einfach mal blind drauflos bummeln, der Nase nach. Nicht wissen, was nach der nächsten Ecke kommt und dabei vielleicht weniger aber dafür intensiver sehen.

„I was reading The World of Yesterday by Stefan Zweig ,who had become one of my slow travel heros after I read his astounding 1926 essay To Travel or Be Traveled. Zweig was someone whose views on travel echoed my own.“

Kieran ist außerdem ein großer Fan vom Reisen per Schlafwagen – meine absolut liebste Art der Fortbewegung. Ein schönes Buch mit spannenden Lektüretipps, das man auf dem heimischen Balkon genauso gut lesen kann, wie auf dem Bahnhof während man auf seinen Zug wartet.

Auf deutsch erschien das Buch unter dem Titel „Slow Travel – die Kunst des Reisens“ im Heyne Verlag.

Älter werden – Silvia Bovenschen

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Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich irgendwo über Silvia Bovenschen stolperte. War es eine Talkshow oder ein Zeitungsartikel? Wollte immer mal etwas von dieser klugen Dame lesen und als ich kürzlich im öffentlichen Bücherschrank dieses Buch von ihr fand nahm ich es umgehend mit, trotz pinkfarbenem Cover und einem Titel, der mir Angst vor Selbsthilfe-Lektüre machte 😉

Von Selbsthilfe keine Spur, eine sehr lohnendes Essay über das Älter werden und das Erinnern. Fällt es Menschen, die stets einen schönen und funktionstüchtigen Körper hatten, schwerer zu altern, als jemandem wie Silvia Bovenschen, die immer schön war, aber von frühester Jugend an durch Multiple Sklerose lernen musste, einen Körper zu haben, auf den sie sich nicht immer verlassen konnte?

Bovenschen schreibt über ihre Kindheit, Jugend und Ereignisse aus späteren Jahren, sinniert über die Vergänglichkeit, das Glück und mißtraut stets ihren eigenen Erinnerungen, die allzu gerne die Welt durch die rosarote Brille sieht.

Ein elegantes Büchlein, das ich sehr gerne gelesen habe und dessen stellenweise wunderbar fieser Humor mich sehr entzückt hat. Von dieser Dame möchte ich noch viel viel mehr lesen.

„Das ist ein alter Konflikt in mir: der zwischen meiner gesellschaftspolitischen Liberalität und meiner ästhetischen Belastbarkeit“

jPOD – Douglas Coupland

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Ethan ist ein 28 Jahre alter Entwickler von Computerspielen, der seine Tage mit dem Programmieren virtueller Welten, dem Erfinden von Spitznamen für seine Kollegen und dem Auffüllen der Büro Snackbar verbringt. In seiner Freizeit hilft er seiner Mutter dabei, ermordete Drogendealer zu verstecken und illegale Einwanderer in seiner Wohnung zu füttern und ihnen seine Klamotten zu geben.

Sein neuer Boss Steve befielt Ethan und seinen 5 Kubikel-Kollegen, deren Namen alle mit J beginnen, daher J-POD, eine Schildkröte, in das aktuelle Computerspiel einzubauen, die einem Fernsehmoderator ähnelt. Sie beschließen, das zu sabotieren, in dem sie statt dessen einen durchgeknallten dämonischen Clown einbauen.

Irgendwo zwischen den lesbischen Kultmitgliedern und der Rettungsaktion in China von Ethans früherem Boss habe ich den Faden verloren. Vielleicht wurde dieses Buch ein Opfer meines vor Hitze dahinschmelzenden Hirns oder ich habe einfach nicht so wahnsinnig viel Bezug zu computerspielprogrammierenden Entwicklern, irgendwann wollte ich nur noch, das der Wahnsinn endet. Es war unterhaltsam genug, um nicht in der Rubrik „Connection with Reader could not be established zu landen“, aber für eine Weile brauche ich jetzt eine Coupland Pause.

Mein Hirn ist jedenfalls beim Lesen des Buches mehrfach abgestürzt.

So, seid ihr noch da? Ziemlich lang geraten dieser Artikel. Angefangen habe ich mit 100 Grad in der Wohnung, den letzten Satz hier schreibe ich bei Dauerregen und 14 Grad, die verf*** Erkältung habe ich immer noch.

War was dabei für Euch? Kennt ihr eines der Bücher? Lust bekommen eines zu lesen?

Meine Woche

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Gesehen: „Mulholland Drive“ (2001) von David Lynch mit Naomi Watts. Mein absoluter Lieblingsfilm. Ab und an muss ich den sehen. Diese Bilder, die Musik und Los Angeles – unbedingte Empfehlung.

Aeon Flux“ (2005) von Karyn Kusama mit Charlize Theron. Stylischer Sci-Fi Film der überwiegend in Berlin gedreht wurde. Die Kritiken waren nicht besonders, mir hat er aber gefallen. Ich glaube Fans der ursprünglichen Serie fanden einige Fehler, da ich die nicht kenne – no prob.

Gehört: „Differance“ – Jambinai, „Echo of Creation“ – Jambinai, „Mulholland Drive“ – Angelo Badalamenti, „Llorando“ – Rebekah del Rio, „Diana and Camilla“ – Angelo Badalamenti, „Fire“ – Beth Ditto, „The Relical and Keeper“ – Graeme Revell

Gelesen: diesen Artikel über „Thick Data“, warum man zur Abwechslung verstärkt andere Menschen mögen sollte, statt alleiniger Selbst-Optimierung, Douglas Coupland findet „9-5 barbaric„, Herr Murakami spricht über sein neues Buch. Über den Koch und Reisenden Anthony Bourdain

Getan: ein paar krasse Informationen verdaut, einen inspirierenden Spaziergang am Maisinger See in toller Gesellschaft gemacht, mit dem Papa gefeiert und die Mandelblüten in der Mainzer Ritterstraße bewundert

Geplant: ein paar überfällige Anmeldungen abschicken

Gegessen: Spundekäs

Getrunken: Riesling-Schorle

Gelacht: Askhole – a person who constantly asks for your advice, yet always does the opposite of what you told them

Geärgert: über die nervigen Bauchschmerzen

Gefreut: wie sehr sich mein Papa über unser Dresden-Wochenende-Geschenk gefreut hat

Gewünscht: diesen Iglu, wenn ich einen Garten hätte, dieses Poster

Geklickt: auf John Steinbecks USA, Cynthia Nixon liest Emily Dickinson und auf diesen Guide mit dem man die Welt erlesen kann

Gekauft: Wein beim Winzer

Gefunden: meinen alten Schulpavillon wo ich die ersten 4 Schuljahre verbracht habe

Gewundert: schon wieder keine Verspätung mit dem Zug – hurra

Generation X – Douglas Coupland

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Ich lese Bücher grundsätzlich am liebsten im Original, aber bei keinem anderen als diesem hatte ich so sehr das Gefühl, die deutsche Übersetzung – so gut sie auch ist-  kann diesem Roman einfach nicht gerecht werden. Es ist sicherlich auch kein Roman im herkömmlichen Sinne, der Text gliedert sich in drei Teile mit insgesamt 32 kurzen Kapiteln.

Die Protagonisten sind der Student Andrew Andrew, Claire Baxter, hauptberuflich Tochter aus gutem Hause, und Dagmar (ist das in den USA wirklich ein Männername???) genannt Dag, ein ehemaliger Werbefachmann, die Anfang der 90er Jahre nebeneinander in Urlaubsbungalows in Palm Springs wohnen. Sie haben –  typisch für die Generation X – schlecht bezahlte unspannende McJobs, für die sie ziemlich überqualifziert sind und versuchen, gemeinsam ihrer Quarter-Life-/Slacker-Krise zu entkommen.

Die drei erleben ihren Alltag und sich selbst durch die Geschichten, die sie sich gegenseitig erzählen, manche persönlich erlebt, manche einfach erfunden. Die Charaktere, die in ihren Geschichten vorkommen, repräsentieren die unterschiedlichen kulturellen Typen wie Yuppies, Oldies etc. und bringen uns vor allem auch den drei Protagonisten näher.

Anfangs konnte ich mit den dreien nicht viel anfangen. Keine Ahnung, ob meine eigene Quarter-Life-Crisis so lange her ist, dass ich mich nicht mehr erinnere oder vielleicht habe ich meine auch einfach verpasst, auf jeden Fall dauerte es etwas, bis ich mit ihnen etwas mehr anfangen konnte. Denn aus heutiger Sicht ist das teilweise Jammern auf hohem Niveau. Aber wir sind auch viel stärker von Wirtschaftskrisen, tatsächlichen Kriegen etc. geprägt, als die Generation X Anfang der 90er Jahre, die immens frustriert war von der immer stärkeren gesellschaftlichen Fokussierung auf permanenten Konsum und die Kommerzialisierung von allem und jeden.

I just want to show society what people born after 1960 think about things… We’re sick of stupid labels, we’re sick of being marginalized in lousy jobs, and we’re tired of hearing about ourselves from others —Coupland, Boston Globe, 1991

Auch wenn es etwas dauerte bis ich drin war, es ist beeindruckt wie Coupland es schafft – in seinem typischen Couplandism mit seinen Wortspielen, Slogans etc. – den Zeitgeist einzufangen.

Ich habe beim Lesen immer wieder nach den entsprechenden englischen Originalstellen gesucht und war erstaunt, wieviele alltagstaugliche Wortschöpfungen im Englischen tatsächlich von ihm stammen. Der Mann ist das wandelnde Urban Dictionary wie mir scheint (McJob, Poverty Jet Set, Brazilification, Boomer Envy, Decade Bendig etc.)

Die größte Schwäche des Buches ist meines Erachtens gleichzeitig seine größte Stärke. Es fängt den 90er Jahre Zeitgeist so treffend ein, es ist als würde man durch einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum zurückgehen, aber es wirkt dadurch gleichzeitig auch in der Zeit stehen geblieben. Schadet ein zu starker Zeitbezug der nachhaltigen Wirkung?

“Starved for affection, terrified of abandonment, I began to wonder if sex was really just an excuse to look deeply into another human being’s eyes.”

Ich habe mir beim Lesen permanent vorgestellt, wie sie heute so drauf wären – Claire, Dag und Andrew. Was würden sie denken, über sich selbst damals?

“When someone tells you they’ve just bought a house, they might as well tell you they no longer have a personality. You can immediately assume so many things: that they’re locked into jobs they hate; that they’re broke; that they spend every night watching videos; that they’re fifteen pounds overweight; that they no longer listen to new ideas. It’s profoundly depressing. ”

Ob der Kultstatus des Buches verdient ist oder nicht, ich fand es wunderbar unterhaltsam und spannend und werde es wohl irgendwann einmal im Original lesen.

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Foto credit: http://coupland.com/

„I wonder that all things seem to be from hell these days: dates, jobs, parties, weather …. Could the situation be that we no long believe in that particular place? Or maybe we were all promised heaven in our lifetimes, and what we ended up with can’t help but suffer in comparison.“

Miss Wyoming – Douglas Coupland

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Von Coupland hatte ich irgendwie schon jede Menge gehört. Kultbuch-Autor, Generation X – muss man gelesen haben, hatte ich bislang aber nicht.

Miss Wyoming hab ich letzten Sommer beim Radeln in einer Kiste mit „zu verschenken Büchern“ gefunden und jetzt wars dann mal so weit. Gar nicht einfach zu beschreiben, wie es mir gefallen hat. Es ist ein bißchen so, als wäre man zu lange mit dem Kopf unter Wasser gewesen und irgendwann hält man es nicht länger aus.

Ein atemloses Erlebnis, man hetzt von einer Episode zu anderen und muß stets auf der Hut sein, um nix zu verpassen. Er hat einen eigenwilligen Schreibstil, nutzt sehr abgefahrene Sprachbilder und irgendwie schafft er es, eine fast schon kitschige Liebes- und Selbstfindungsgeschichte zu erzählen, ohne das es wirklich ins Kitschige abdriftet.

Susan Colgate, die gar nichts mit Zahnprodukten zu tun hat, sondern früher Kinder-Schönheitskönigin und B-TV-Sternchen und John Johnson, ein Fan besonderer synthetischer Produkte und ein mehr oder weniger erfolgreicher Filmproduzent mit mehr Tiefen als Höhen, sind beide Experten für diverse Achterbahnen im Leben und beide sind mal für eine Weile aus ihrem Leben ausgestiegen.

Sie überlebt als einzige einen Flugzeugabsturz, mimt ihren eigenen Tod und verschwindet für ein Jahr. Nach und nach erfährt man, was ihr in diesem Jahr alles passiert ist.

John geht nach seinem Nah-Tod-Erlebnis, bei dem er irgendwie Susan Colgate zu sehen glaubt, auf eine quasi-philosophische Selbstentdeckungstour.Er verschenkt all sein Hab und Gut und lebt ein Jahr als Obdachloser und wandert ziellos durch die Gegend.

Die beiden begegnen sich im ersten Kapitel, verbringen ein paar Stunden spazierengehend miteinander und sind sehr voneinander angetan. John hat Susan in einem Nah-Tod-Erlebnis irgendwie gesehen und ist seitdem auf der Suche nach ihr. Warum, weiß er selbst nicht so genau, als er sie dann aber trifft, ist er sofort Hals über Kopf in sie verliebt. Sie aber verschwindet und er setzt alles daran, sie wieder zu finden.

Die Suche bringt so einiges an abgefahrenen Action, Zufällen, Obskuritäten und nach und nach erfährt man immer mehr über die beiden Protagonisten. Ein Road-Movie der besonderen Art.

Das Buch zeigt die harte Wirklichkeit hinter den pinkfarbenen Miss-Wahlen und wieweit Eltern gehen, um ihre Kinder zu dem zu machen, was sie selbst nie erreichen konnten.

Einige der Nebendarsteller waren sehr spannend, ich hätte gerne noch mehr über Vanessa gelesen, die brillante Lisbeth Salander-ähnliche Hackerin, den schmierigen Eugene oder die Numerolgin.

Coupland hat einen sehr speziellen Schreibstil, den man mögen muss. Mir hat das Buch ganz gut gefallen, auch wenn ich jetzt nicht direkt zum Fan geworden bin. Generation X werde ich aber bei Gelegenheit wohl noch lesen. Ein bisserl viel Hype, aber es ist definitiv unterhaltsam und besser geschrieben als so manch anderer Schmarrn.

„Er erinnerte sich, dass die Frau aus seiner Vision im Krankenhaus ihm das Gefühl gegeben hatte, es gäbe irgendwo auf dem fremden Todesstern, der sein Herz war, eine verwundbare Stelle, in die er eine Bombe hineinschmuggeln, sich damit in die Luft sprengen und aus den Überresten wieder neu zusammen setzen konnte.“

„Du bist liebenswert Vanessa. John zerbrach sich den Kopf, wie er das was er als nächstes sagen wollte, in Worte fassen konnte. Aber du musst dir die Brust aufreißen, frische Luft an dein Herz lassen und dir einen Sonnenbrand darauf holen, und das kann einem verdammt Angst machen.“