Literatur-Blog für alle, die keine Angst vor heftigen Mischungen haben. Paul Auster, Margaret Atwood, Haruki Murakami treffen auf Simone de Beauvoir, Batman und Orphan Black. Dosenbier auf Oper und St. Pauli auf Crispr, Philosophie, Science und Sci-Fi.
Gesehen: Agora (2009) von Alejandro Amenábar mit Rachel Weisz und Max Minghella. Historisches Drama um die Mathematikerin und Philosophin Hypathia deren tragisches Ende auch über 1500 Jahre später noch unfassbar wütend macht.
Silent Night (2021) von Camille Griffin mit Keira Knightley und Matthew Goode. Apokalyptische schwarze Komödie um ein allerletztes Weihnachtsfest. Sehr vorhersehbar.
Spaceship Earth (2020) von Matt Wolf. Doku über über das 1991 durchgeführte Experiment, bei dem acht Personen zwei Jahre lang in einer selbst konstruierten Nachbildung des Ökosystems der Erde, der so genannten Biosphäre 2, unter Quarantäne gestellt wurden.
The Happy Worker – Or how work was sabogated (2022) von John Webster. Doku über unsere Bullshit Jobs mit ständig wechselnden Management-Moden, Bürokratie, die sich als Effizienz tarnt und Arbeit der jeglicher Sinn fehlt. Die Doku zeigt wie dieses ungesunde System aufrechterhalten wird und was uns davon abhält, den Schwachsinn anzuprangern.
Gehört: Te Deum – Georg Friedrich Händel, Oratorio de Noël – Camille Saint-Saëns, Kanon in D-Dur – Johann Pachelbel, Silent embrace – Mono, Misery remember me – Ladytron, The Fire Within – Within Temptation, Carbon Dioxide – Fever Ray,
Getan: Weihnachten mit der Familie gefeiert, am Bisten See spaziert, in Hamburg den alten Elbtunnel durchwandert, Winterglitzer im Schmidts Theater gesehen und uns vor Dracula im Imperial Theater gefürchtet, im Herkulessaal Händel gelauscht und auf dem Balkon das Silvester-Feuerwerk angeschaut
Gesehen: Ouija – Origin of Evil (2016) von Mike Flanagan mit Elizabeth Reaser, Lulu Wilson, Annalise Basso. Ein Ouija Brett weckt die bösen Geister eines Hauses. Durchaus unterhaltsam.
100 Years of Poirot & Miss Marple (2020) von Sean Davidson. Doku über das Leben der wohl berühmtesten Krimiautorin aller Zeiten. Danach sind so einige ihrer Romane und Filme auf meiner Wunschliste gelandet.
M. C. Escher: Journey to Infinity (2018) von Robin Lutz. Doku über Arbeit und Leben eines besonderen Künstlers.
Invaders (2018) von Daniel Prince. Sci-Fi Short Film um ein kleines Ufo das seinen Platz im Universum sucht und Weihnachte mit zwei Kumpels in ein Haus eindringt und da so einiges anstellt.
Geklickt: All the Books Carrie Bradshaw and Co. Have Been Reading in And Just Like That…, auf die Fotos der Polarbären in leerstehenden Gebäuden, The 20 Internet Giants that rule the web 1998 – heute
Gestaunt: At least 70 free-floating planets found in the Milky Way, Scientists Regrow Frog’s Lost Leg, darüber wie Nervenenden aussehen
Gelacht: Why science teachers should not be given playground duty
Gedacht: When working with people, assume good intentions. When listening to people, interpret their words in a generous way. You will occasionally get burned and mistreated by always assuming the best in others, but it is a far better way to live than the opposite.
Gesehen: Blood Red Sky (2021) von Peter Thorwarth mit Peri Baumeister und Carl Anton Koch. Eine Frau mit einer mysteriösen Krankheit wird zum Handeln gezwungen, als eine Gruppe von Terroristen versucht, einen transatlantischen Nachtflug zu entführen. Nette Unterhaltung, toller Soundtrack.
Der Ornithologe (2016) von Joao Pedro Rodrigues mit Paul Hamy. Surrealer portugiesischer Film um einen Ornithologen voller Symbolik, Mystik und schwuler Erotik sowie großartigen Landschaftsaufnahmen. Ein wilder Fiebertraum.
Balance (1989) von Christoph und Wolfgang Lauenstein. Oscar prämierter animierter Kurzfilm der in knapp 8 Minuten eine unheimliche, surreale Atmosphäre erzeugt und dabei noch eine universal verständliche Botschaft vermittelt. Großartig.
Gelesen: dieses Interview mit Stefanie vor Schulte, The Corona Virus is here to stay, diesen Artikel über die Astronomin Vera Rubin, über einen irischen Death Metal Baron der sein Anwesen renaturiert, The Tyranny and Misogyny of Meal Planning, Finland is winning the war on fake news. What it’s learned may be crucial to Western democracy
Getan: mit dem kleinen Neffen Memmingen erkundet, einen schönen Abend mit Freund*innen bei der eine Teil-Selbständigkeit geplant wurde, einer spannenden Buch-Diskussion mit Stefanie vor Schulte beim Diogenes-Zoom-Abend beigewohnt und ein paar langwierige Arbeitsprojekte abgeschlossen.
Gegessen: Chicken Tikka
Gefreut: über meinen „Openness Value Badge“ und über Ruth Birdy Ginsbird
Gelacht: über den „Click to pray Rosary“ und diesen zugegebenermaßen flachen Witz (hab mich trotzdem weggeschmissen) The CEO of IKEA was elected president of Sweden. He’s still assembling his cabinet.
Gesehen: Fear Street 1978 und Fear Street 1666 (2021) von Leigh Janiak mit Kiana Madeira, Ashley Zukerman, Sadie Sink (Max aus Stranger Things :)) und Emily Rudd. Gut gemachter supernatural Slasher mit tollem Soundtrack und LGBTQ+ Einfluß.
Jodie Foster, Hollywood dans la peau (2021) von Camille Juza und Yal Sadat. Spannende Doku über eine absolute Ausnahme-Schauspielerin. Gleich mal noch ein paar Filme zum Wieder-Gucken auf die Liste gepackt.
Gelesen: Emanzipation ist kein Exportgut, Black holes surrounded by massive, energy-harvesting structures could power alien civilizations, Why are so many knowledge workers quitting?, World without work, Frauenrechte in Afghanistan – der Abschied von der Freiheit.
Getan: eine Sucht-Angehörigen-Selbsthilfegruppe besucht, die Bookclub-Ladies nach über einem Jahr endlich wieder live gesehen, liebe Freund*innen getroffen, auf dem Balkon gelesen und unseren Urlaub geplant.
Geklickt: auf dieses Interview mit Archäologin Rebecca Wragg zu Neanderthalern, Jet Streams gut erklärt, A Cosmic Web Connects Everything in the Universe
Gesehen: Fear Streat 1994 (2021) von Leigh Janiak mit Kiana Madeira, Olivia Scott Welch und Benjamin Flores. Amerikanischer Teen Slasher Film mit coolem Soundtrack, die Geschichte selbst und die Umsetzung hat mich jetzt nicht vom Hocker gehauen. Kann man schauen, muss man aber nicht.
David Attenborough: A life on our planet (2020) von Alistair Fothergill. Großartige Doku die hoffentlich genug Menschen dazu aufrüttelt die Erderwärmung ernst zu nehmen und endlich die Natur in den Mittelpunkt zu stellen und nicht die Wirtschaft. Unbedingt anschauen.
Gehört: Smells like teen spirit – Malia J, Recoil, Ignite – Mono, Good Girls – Chvrches, Creep 2021 Rmx – Thom Yorke, Perpetual flame of Centralia – Lingua Ignota, Canopy – Lauge, Surrender – Birdy, After the bombs silence – Echo says Echo, So why not save the world – Pink turns Blue, A carefully controlled space – Soft Generator
Gelesen: Anna Sauerbrey on german politicans on autopilot, Leave the Billionaires in Space, Armin Laschet wird zum Problem für die CDU, Warum so viele im Altbau wohnen wollen, Luxury Surveillance, dieses Interview mit Ali Smith, E-Autos sind besser als ihr Ruf, The Making of „Carol„
Getan: mit lieben Freunden getroffen, lecker gegessen und den großen orangenen Mond bewundert, mein Radl aus der Reparatur geholt, Geburstagsgeschenke besorgt und viel gelesen
Gefreut: wie sehr einem Princess Charming den Glauben an die Menschheit zurückgeben kann 😉 und über den Mut tausender Menschen bei der LGBTQ+ Pride in Budapest
Geweint: nein
Geärgert: nein
Geklickt: auf diese 6-teilige Podcast Reihe „WTF happened to Ken Jebsen„, hier eine Sammlung von Medien die in Murakami-Büchern vorkommen
Gestaunt: über diese Cymatic/Resonanz Experimente, Riesige DNA-»Borg«-Strukturen verblüffen Wissenschaftler, Menschen können am Gesicht von Erkrankten ablesen, dass diese nicht gesund sind, in Finland werden die Geweihe von Rentieren mit Leuchtfarbe bemalt, Velella velella
Gedacht: We really have to stop expecting the ultra-wealthy to also be benevolent philanthropists. They didn’t get rich because they’re inherently good or smart. And it’s a fallacy that billionaires are genius innovators. They’re not.
They’re billionaires because they got really good at a really bad game: late-stage capitalism. It’s a game you win by breaking laws, abusing the labor force, and manipulating governments. It’s a game that rewards venality, and it’s a game that values not having any values. Because no one earns a billion dollars. Billionaires exist because something went horribly wrong on our watch. So our rage is misdirected. Our collective anger should be laser-focused on the people who built and maintain the system that allowed these flaccid Bond villains to thrive. //Sarah Stockdale
Gesehen: The Others (2001) von Alejandro Amenábar mit Nicole Kidman. Wundervoll atmosphärischer Gothic Horror um eine Familie die in einem dunklen Haus lebt, in dem sie nicht alleine zu sein scheinen. Kann ich alle paar Jahre wieder schauen.
Spiderman 3 (2007) von Sam Raimi mit Tobey Maguire und Kirsten Dunst. Comic Spaß mit leider etwas seichtem Drehbuch. Um einen verregneten Abend aufzuheitern hat er ausgereicht.
The Fall of the House of Usher (1980) von Jan Švankmajer. Surreale 15minütige Verfilmung der gleichnamigen Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe. Fühlt sich wie ein animiertes Hörbuch an.
Gelesen: Elizabeth Kolbert on Have we already been visited by aliens, Nachruf auf die viel zu früh verstorbene Sängerin und Produzentin Sophie, die großartige Kurzgeschichte Paper Menagerie von Ken Liu, How the work ethics became the substitute for good jobs, die Ideologie der Kapitol Stürmer
Getan: einen spannenden Videocall mit einer Freundin in Sierra Leone, Yoga, viel zu Fuß gegangen, unendlich viele Meetings und ein virtuellen Kickoff 2021
Gefreut: über ein tolles nachträgliches Weihnachtspaket
Geweint: nein
Geärgert: nein
Geklickt: auf Marina Weisband beeindruckende Rede zur Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag, auf Mai Thi Nguyen-Kims Video wie Corona enden wird, Why Kamala Harris election matters, auf die „Northlandscapes“ von Fotograf Jan Erik Waider, auf den TED Talk von Shaolin Meister Shi Heng Yi
Gestaunt: über den Krümelmonster Stein, über diese Eislauf-Strecke in Colorado, über diese Taschenuhr mit eingebauter Kamera, wie man im Weltall seine Haare wäscht, und über 20 Mio Jahre alte Riesenwürmer
Gelacht: hierüber und über diese Live Aufnahme von mir im Büro
Wer glaubt eine Pandemie würde mich von meiner dystopischen Leidenschaft heilen, irrt gewaltig. Diese drei Bücher waren die perfekte Begleitlektüre durch die Covid-19 bedingten Ausgangsbeschränkungen.
Die Wand ist eine Chronik des Lebens des letzten überlebenden Menschen auf der Erde, einer gewöhnlichen Frau mittleren Alters, die eines Morgens aufwacht und feststellt, dass alle anderen verschwunden sind. In der Annahme, ihre Isolation sei das Ergebnis eines schiefgelaufenen militärischen Experiments, beginnt sie die mit der Arbeit des Überlebens und ihrer eigenen Selbsterneuerung. Dieser Roman ist gleichzeitig eine einfache und bewegende Geschichte und eine verstörende Meditation über die Menschheit.
„Wenn ich heute an meine Kinder denke, sehe ich sie immer als Fünfjährige, und es ist mir, als wären sie schon damals aus meinem Leben gegangen. Wahrscheinlich fangen alle Kinder in diesem Alter an, aus dem Leben ihrer Eltern zu gehen; sie verwandeln sich ganz langsam in fremde Kostgänger. All dies vollzieht sich aber so unmerklich, daß man es fast nicht spürt. Es gab zwar Momente, in denen mir diese ungeheuerliche Möglichkeit dämmerte, aber wie jede andere Mutter verdrängte ich diesen Eindruck sehr rasch. Ich mußte ja leben, und welche Mutter könnte leben, wenn sie diesen Vorgang zur Kenntnis nähme?“
Das Buch ist der Bericht, den die Heldin einige Jahre später auf der Grundlage des skizzenhaften Tagebuchs schreibt, das sie geführt hat. Es vermischt Erinnerungen, Rekonstruktion vergangener Episoden, die verblasst sind, und Reflexionen aus der Gegenwart. Doch meistens handelt er von den Einzelheiten des täglichen Überlebenskampfes: wie sie mit ihrem kargen Kartoffelvorrat ein Kartoffelacker anlegt (hat mich sehr an den Martian von Andrew Weir erinnert), wie sie Heu mäht, um ihre Kuh zu füttern, wie sie Holz hackt, um sich in den bitteren Wintern warm zu halten und wie sie manchmal einen Hirsch schießt, um Fleisch zu bekommen.
Sie ist völlig kompromisslos: Die Erzählerin schreibt nur für sich selbst, es gibt sonst niemanden auf der Welt, und sie vermisst auch niemanden so richtig. Sie will die Dinge einfach nur erzählen wie sie sich zugetragen haben. Es ist erstaunlich, wie real ihre Welt wird und wie selten man einen dystopischen Roman ließt, in dem soviel Fürsorge zutage tritt.
Das Buch widersetzt sich einer einfachen Interpretation. Vielleicht ist das nicht einmal die eigentlich spannende Frage. Es ist ein grandioses Bild, das einem im Gedächtnis bleibt, die einsame Frau, die in ihrer unsichtbaren Blase gefangen ist, die fast alles verloren hat, sich aber immer weigert aufzugeben. Eine Frau, die all ihre Entschlossenheit, ihren Einfallsreichtum und ihr Können einsetzt, um noch ein weiteres Jahr zu überstehen, weil ihre kleine Tierfamilie sie braucht. Manchmal denkt sie an die Menschen, die diese unbegreifliche Waffe geschaffen haben, die alle außerhalb der Wand in Stein verwandelt hat, und sie fragt sich, wie sie das geschafft haben konnten. Diese Menschen müssen sich in einer Weise von ihr unterscheiden, die sie nicht in keinem Fall verstehen kann.
„Wer weiß, was die Gefangenschaft aus diesem unauffälligen Mann gemacht hätte. Auf jeden Fall war er körperlich stärker als ich, und ich wäre von ihm abhängig gewesen. Vielleicht würde er heute faul in der Hütte umherliegen und mich arbeiten schicken. Die Möglichkeit, Arbeit von sich abzuwälzen, muß für jeden Mann eine große Versuchung sein. Und warum sollte ein Mann, der keine Kritik zu befürchten hat, überhaupt noch arbeiten.“
„Die Wand“ ist der berühmteste Roman der 1920 im österreichischen Frauenstein geborenen Marlen Haushofer. Er wurde 2012 mit Martina Gedeck in der Hauptrolle verfilmt. „Die Wand“ wurde in den achtziger Jahren von der Frauen- und der Friedensbewegung wiederentdeckt, und die Geschichte lässt sich vielfältig interpretieren.
Als perfekten Soundtrack empfehle ich Chelsea Wolfes „Pain is Beauty“
Empfehlen kann ich auch die Verfilmung mit Martina Gedeck in der Hauptrolle:
Warum hört man eigentlich so gar nichts vom Haushofer Jahr, wo uns doch an jeder Ecke Hölderlin, Beethoven und Paul Celan Gedenktage und Veröffentlichungen begegnen? Sehr schade.
Daher feiere ich dieses Jahr Marlen Haushofer, Annette Kolb und Clarice Lispector 🙂
Und ihr so?
Winters Garten ist der Name der idyllischen Siedlung, in der alles üppig wächst und gedeiht und der Sehnsuchtsort von Anton der in der Stadt lebt und Vögel züchtet und der dort eine sehr glückliche Kindheit erlebte. Er wuchs mit anderen Kindern und den alten Menschen in einem riesigen Haus mit Winters Garten auf. Er erlebte die Welt und den Tod aus nächster Nähe, streifte durch Wiesen und Wälder, spielt verstecken genießt die Wärme und Liebe seiner geliebten Großmutter.
Als Erwachsener lebt er als Vogelzüchter in der Stadt. Schlaflos steht er nachts am Fenster und blickt auf die verwahrlosten Straßen. Alles ändert sich, nichts ist mehr wie es war. Häuser und Straßenzüge verfallen, die wilden Tiere dringen in die Vorgärten und Hinterhöfe ein, der Schlaf der Menschen ist schwer von Träumen und viele gehen hinunter ans Meer, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten.
Inmitten dieser Hoffnungslosigkeit trifft Anton eine Frau, in die er sich auf den ersten Blick verliebt. Wortlos nimmt sie ihn bei der Hand, folgt ihm nach Hause und bleibt. Sie starren sich an oder lieben sich.
Anton hilft ihr in der Klinik, in der sie arbeitet, die in eine Entbindungsstation umgewandelt wurde. Friederike freundet sich mit der hochschwangeren Marta an. Nach der Geburt des Kindes, stellt sich heraus, dass der Vater Antons Bruder ist. Nach vielen Jahren kehrt Anton mit Friederike, seinem Bruder, dessen Frau und dem Baby in die Gartenkolonie zurück, um vor dem nahenden Ende der Welt zu fliehen. Sie verbringen die Tage damit, sich zu erinnern und auf das zu warten, was kommen mag.
„Ich habe so vieles vergessen, aber nicht, wie man von der Zukunft spricht. Es ist niemand da, der fragt, ob man leben will, und niemand, der fragt, ob man sterben will. Genauso wenig, wie man sich aussuchen kann, von wem man geliebt wird. Und selbst wenn man seine Tritte sorgfältig rückwärts in die eigenen Fußspuren setzt, heißt das nicht, dass man dort ankommt, wo man aufgebrochen ist. Wenn mich die Menschen fragen, ob ich die Welt gesehen habe, sage ich ihnen, dass sie nie still genug hält, um gesehen zu werden„
Was genau in der Welt passiert, wird nicht näher erläutert, aber das nahende Ende ist in deutlich spürbar. Es ist die Sprache, die eine dunkle Anziehungskraft entwickelt und die einen vom ersten Satz an in die wohlig-dunkle Atmosphäre des Romans hineinzieht.
Das ist kein Roman für Menschen, die einen rasanten Plot lieben mit vielen Wendungen. Denn es passiert nicht viel. Am Anfang und am Ende steht die Gartenkolonie, die voller Erinnerungen ist und den Menschen Heimat bietet in einer Welt die keine Zukunft mehr hat.
„Zu lieben ist die einzig angemessene Art zu existieren. Wenn man beginnt, einander zu lieben, weiß man nichts darüber, nichts über die Angst, den Mut, die Trauer, die Bedingungslosigkeit, oder man weiß alles und versteht die Liebe doch nicht, weil sie noch unbelastet ist von den Erfahrungen, die ihr folgen.“
Wortgewaltig, sinnlich, düster, tolle Atmosphäre.
Als passenden Soundtrack zum Buch habe ich Soap & Skin „Lovetune for Vacuum“ gehört.
The Memory Police von Yoko Ogawa ist ein hypnotischer, ruhiger Roman, der als Dystopie eines Überwachungsstaates beginnt und als etwas Existenzielleres endet: eine surreale und eindringliche Meditation über unser Selbstverständnis.
Dieser Roman, der vor 25 Jahren erstmals in Japan veröffentlicht wurde und jetzt in englischer Übersetzung vorliegt, ist gänzlich zeitlos. Die Bewohner einer namenlosen Insel, die unter einem repressiven Regime leben, erleben eine Form von kollektiver, allmählicher Amnesie. Beim Erwachen beginnt ein scheinbar zufälliger Gegenstand – Rosen, Vögel, Boote – aus ihren Köpfen zu verschwinden. Sie müssen die vollständige Auslöschung des Gegenstandes sicherstellen, indem sie alle Beweise für seine Existenz aus der Welt tilgen. Die Gedächtnispolizei ist dazu da, selbst den schwächsten Widerstand zu brechen, aber die meisten Menschen treiben in passiver Selbstgefälligkeit durch den Tag und Widerstand ist kaum spürbar. Welchen Sinn hat es, sich an etwas zu klammern, an das man sich nicht erinnern kann?
“It’s a shame that the people who live here haven’t been able to hold such marvelous things in their hearts and minds, but that’s just the way it is on this island. Things go on disappearing, one by one. It won’t be long now,” she added. “You’ll see for yourself. Something will disappear from your life.”
Eine kleine Zahl von Menschen ist gegen dieses Phänomen immun. Sie sind verflucht durch ihre vollständige Erinnerung an alles, was verloren gegangen ist, und stellen eine Bedrohung für das Regime dar. Daher müssen sie ihre Andersartigkeit um jeden Preis verbergen.
“Memories are a lot tougher than you might think. Just like the hearts that hold them.”
Im Roman geht es um eine junge Frau, die um ihre Karriere als Schriftstellerin kämpft, und die entdeckt, dass ihr Verleger durch die Gedächtnispolizei in Gefahr ist, schmiedet sie einen Plan, ihn in einem eigens dafür errichteten Anbau unter ihren Dielen zu verstecken, in einer Weise, die mich immens an „Das Tagebuch der Anne Frank“ erinnerte. Es handelt sich um eine geheime Kammer, die nur über eine Falltür in der Decke zugänglich ist. Unterdessen beschleunigt sich das „Vergessen“ und wird immer extremer.
Dies ist eine stille, melancholische Apokalypse, bei der die Widerstandsversuche gering sind und die in der völligen Zerstörung des Selbst gipfelt.
“I don’t know. Maybe there’s a place out there where people whose hearts aren’t empty can go on living.”
Der perfekte Soundtrack für diesen Roman ist „Nowhere Now Here“ von Mono.
Wie ist das bei euch? War euch in der letzten Zeit eher nach Kontrastprogramm oder habt ihr auch ganz bewusst nach eher dunklen, dystopischen Stoffen gegriffen?
Gesehen: Star Trek: Picard (2019) mit Patrick Stewart. Endlich hat das Warten ein Ende und mit Picard wird alles wieder gut. Die erste Folge war auf jeden Fall klasse.
Eyes without a Face (1960) von Georges Franju. Richtig guter Horror-Klassiker mit der wahrscheinlich schrecklichsten Filmmusik aller Zeiten.
Gelesen: John Le Carre wins Palme prize for democracy, Why women should not stop aplogizing, dieses Interview mit Lukas Bärfuss, dieses Interview mit Christian Pfeiffer zu Gewalt in der Familie, warum keine deutsche Uni eine Namensgeberin hat, I want a wife – the 70s feminist manifesto, Picard is back und diesen Artikel über Anne Brontë
Getan: geboxt, im Schnee gewandert, geschwommen, Sessellift gefahren, und in der Sauna geschwitzt
Geplant: mein lädiertes Knie etwas schonen
Gegessen: Speckbrettl
Getrunken: leckeren Minz-Kamille-Fenchel-Anis Tee und Südtiroler Wein
Gefreut: über das wunderschöne Wochenende in Südtirol
Gesehen: „The Hole in the Ground“ (2019) von Lee Cronin mit Seána Kerslake. Irischer atmosphärischer Horror mit tollen Bildern um eine Mutter die ihren Sohn im Wald wiederfindet neben einem riesigen Loch und der nicht mehr der selbe zu sein scheint.
„Marriage Story“ (2019) von Noah Baumbach mit Scarlett Johansson, Adam Driver und Laura Dern. Grandios gespielte Trennungsgeschichte, puh die ging mir an die Nieren.
„Bikram“ (2019) Doku über den Guru und Gründer des Bikram-Yoga der jede Menge Frauen belästigte und teilweise vergewaltigte. War schockiert, dass der heute noch unbehelligt Kurse gibt.
Getan: viel Zug gefahren, die Weihnachtsparty in Dortmund besucht, mit Freunden zum Essen getroffen, die Orlando Ausstellung im Literaturhaus und die Winston Link Ausstellung in der Versicherungskammer Bayern angesehen
Geplant: ein Team Dinner und den Bookclub besuchen
Gefunden: ziemlich unglaubliche Dinge in Rollcontainern beim Office-Umzug
Gekauft: nix
Gedacht: Special congratulations to older voters who went Tory, fucking over the younger generations for decades and guaranteeing them a brexit they hate because you liked the man with the funny hair who isn’t afraid to say those racist things you enjoy. // James Felton
Gesehen: „Picnic at Hanging Rock“ (1975) von Peter Weir. Mystery um ein Valentins-Picknick im Jahr 1900 bei dem mehrere Mädchen verschwinden. Wunderschöne Bilder, tolle Atmosphäre.
„The Yellow Handkerchief“ (2008) von Udayan Prasad mit Kristen Stewart, William Hurt und Eddie Redmayne. Road Movie um drei einsame Menschen auf der Suche nach Halt.
„Killing Eve“ (2018) mit Sandra Oh und Jodie Comer. Brilliante Thriller-Serie um eine Auftragsmörderin. Großartige Dialoge, intelligent und witzig – unbedingt ansehen
Gehört: „Trouble so hard“ – Vera Hall, „Halo“ – Mono, „From dust to beyond“ – God is an Astronaut, „Cellophane“ – FKA Twigs, „Watchmen“ – Trent Raznor & Atticus Ross, It’s all over now, Baby Blue – Them, „Last Walk“ – Space Mountain, „Smash my Head“ – CocoRosie
Gelesen: Margarete Stokowskis Rede anläßlich ihres Tucholsky-Preises, Was es mit OK Boomer auf sich hat, diesen Artikel von W. H. Auden über Virginia Woolf, J. S. Bach der Rebell, Goodbye to free lunches, John le Carrés Exit vom Brexit, How Susan Sontag taught me how to think, Oslo ist nahezu komplett autofrei in der Innenstadt
Getan: viel gelaufen, den Zündfunk Kongress besucht und meinen nächsten Workshop vorbereitet
Geplant: einen erfolgreichen Workshop durchzuführen
Geklickt: Boy told off for doodles becomes restaurant artist und auf dieses „Actor on Actor“-Interview von Jessica Lange und Taylor Schilling
Gestaunt: über diese unglaublich schönen Pilze, über den Bananen-Aal und australische Wasserratten die mit chirurgischer Präzision Krötenherzen entfernen und essen